
Wenn selbst Abbas genug hat – eine Chance auf einen Neuanfang
Was Mahmoud Abbas vor wenigen Tagen in Ramallah gesagt hat, hat mich aufhorchen lassen. Nicht, weil er zum ersten Mal Kritik an der Hamas übt, sondern weil seine Worte so deutlich, so emotional und so unumstößlich klangen wie selten zuvor. „Gebt die Geiseln frei, ihr Hundesöhne, und beendet diesen Krieg.“ So hat er es gesagt. Und auch wenn dieses Wort hart und brutal klingt – es trifft den Kern. Denn was sagt es über eine Organisation aus, wenn selbst ein zurückhaltender, auf Ausgleich bedachter Politiker wie Abbas zu solchen Worten greift? Es zeigt: Die rote Linie ist längst überschritten. Und nicht nur von denen, die die Raketen abfeuern, sondern auch von jenen, die das alles dulden, verteidigen, verharmlosen oder schweigend hinnehmen.
Abbas hat in seiner Rede Hamas aufgefordert, alle Geiseln freizulassen – nicht nur aus humanitärer Sicht, sondern auch, um Israel die Rechtfertigung für weitere militärische Schläge zu entziehen. Er hat das Prinzip der Geiselnahme als zynisches Machtinstrument entlarvt. Die Situation ist eindeutig: Israel will seine Geiseln zurück und wird nicht ruhen, bis dieses Ziel erreicht ist. Und solange Hamas weiterhin Menschen in Tunneln gefangen hält und Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, kann es keinen Frieden geben. Abbas weiß das. Er kennt den Preis, den die Bevölkerung in Gaza zahlt. Und er benennt, wer daran Schuld hat. Mit seinem Aufruf zur Entwaffnung der Hamas, zur Rückgabe der Kontrolle an die Palästinensische Autonomiebehörde und zur Umwandlung in eine politische Partei hat Abbas die vielleicht wichtigste und mutigste Rede seiner Amtszeit gehalten. Und das in einem Moment, in dem die palästinensische Gesellschaft tief gespalten ist und der Druck von außen größer kaum sein könnte.
Internationale Medien wie der Spiegel, die Times of Israel oder der Guardian haben diese Rede aufgegriffen. Und was dabei auffällt: Ihre Bewertungen reichen von vorsichtigem Lob bis hin zu regelrechter Überraschung. Warum? Weil man nicht damit gerechnet hat, dass sich Abbas so deutlich positioniert. Weil es einfacher ist, in alten Mustern zu denken – Israel als Aggressor, Palästinenser als Opfer. Doch diese Schwarz-Weiß-Malerei greift längst zu kurz. Der 7. Oktober hat vieles verändert. Der brutale Überfall durch Hamas, bei dem über 1.200 Menschen – größtenteils Zivilisten – auf israelischer Seite getötet und Hunderte verschleppt wurden, war nicht nur ein Angriff auf Israel. Es war ein Angriff auf die Menschlichkeit.
Für mich ist klar: Hamas ist nicht einfach nur eine extremistische Organisation. Sie ist der bewaffnete Arm einer Ideologie, die Tod, Zerstörung und Angst als Mittel der Politik einsetzt. Wer so handelt, wer so denkt, gehört nicht in politische Prozesse, sondern vor ein internationales Tribunal. Dass Abbas dies erkannt und benannt hat, verdient Unterstützung – nicht nur von der westlichen Welt, sondern vor allem von der arabischen. Gerade dort, wo oft geschwiegen wird oder wo man sich weigert, Hamas beim Namen zu nennen. Es ist an der Zeit, dass die Staaten der Region nicht länger wegschauen oder gar indirekt legitimieren, was Hamas seit Jahren tut. Denn wer jetzt nicht Stellung bezieht, macht sich mitschuldig.
Die palästinensische Bevölkerung hat mehr verdient als den ewigen Kreislauf aus Hass, Krieg und Fanatismus. Sie verdient eine echte Perspektive – ohne Terror, ohne Korruption, ohne Zwang. Und Abbas, so schwach seine Führung auch oft gewirkt haben mag, hat in diesen Tagen einen Schritt getan, der Mut und Weitsicht beweist. Er will retten, was zu retten ist. Und dafür braucht er Rückendeckung. Wenn nicht jetzt, wann dann?

