Die Geschichte der Kibbuzim: Gemeinschaft, Lebensweise und weltweite Erfolge in Israel

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Die Kibbuzim (Singular: Kibbuz) sind Gemeinschaftssiedlungen in Israel, die eine einzigartige Form des Zusammenlebens und der kollektiven Landwirtschaft repräsentieren. Ihre Entstehung geht bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück, und sie sind ein faszinierendes Beispiel für sozialistische Ideale, die in der Praxis umgesetzt wurden. Über die Jahre hinweg haben sich die Kibbuzim stark gewandelt und angepasst, doch sie bleiben bis heute ein Symbol für Pioniergeist, Gemeinschaft und Innovation.

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Geschichte der Kibbuzim, erkunden ihre Lebensweise, geben Beispiele für bekannte Kibbuzim und deren Errungenschaften, beleuchten tragische Ereignisse, wie die am 7. Oktober, und schauen uns an, welche Produkte aus diesen Gemeinschaften weltweit Anerkennung gefunden haben.

Die Anfänge der Kibbuz-Bewegung: Ein Traum von Gleichheit und Gemeinschaft

Die ersten Kibbuzim entstanden in den frühen 1900er Jahren, als jüdische Einwanderer, hauptsächlich aus Osteuropa, nach Palästina kamen, um eine neue Heimat aufzubauen. Diese Pioniere, die als „Halutzim“ bekannt waren, verfolgten das Ziel, ein neues Leben in der jüdischen Heimat zu beginnen, und wurden von sozialistischen Idealen inspiriert. Die Idee hinter den Kibbuzim war einfach: Menschen sollten in einer egalitären Gemeinschaft zusammenleben, in der Eigentum geteilt wird und jeder zum Wohle der Gemeinschaft beiträgt.

Der erste Kibbuz, Degania Alef, wurde 1910 am Ufer des Sees Genezareth gegründet. Die Pioniere sahen den Kibbuz nicht nur als landwirtschaftliche Siedlung, sondern als einen Ort, an dem eine neue, gerechtere Gesellschaftsordnung entstehen sollte. Alles, von der Produktion bis zum Konsum, wurde kollektiv organisiert. Es gab keine individuelle Bezahlung; die Erträge aus der gemeinsamen Arbeit wurden gleichmäßig auf die Mitglieder verteilt. Diese Lebensweise war hart und verlangte viel Engagement und Opferbereitschaft, doch sie schuf eine enge Gemeinschaft, die fest zusammenhielt.

Das Leben im Kibbuz: Kollektive Landwirtschaft und Gemeinschaftssinn

Die Lebensweise in einem Kibbuz unterschied sich grundlegend von der in anderen Teilen der Welt. Das Leben war gemeinschaftlich organisiert, und die Idee der Gleichheit stand im Mittelpunkt. Es gab keine Privatbesitz im herkömmlichen Sinne, und jeder erhielt das, was er zum Leben brauchte. Der Kibbuz sorgte für die Grundbedürfnisse seiner Mitglieder, einschließlich Nahrung, Unterkunft, Bildung und Gesundheitsversorgung. Kinder wurden oft gemeinsam in speziellen Kindergärten erzogen, um den Gemeinschaftssinn zu fördern.

Die Landwirtschaft spielte eine zentrale Rolle im Leben der Kibbuzim. Die Mitglieder arbeiteten zusammen auf den Feldern und in den Ställen, um die Nahrung für die Gemeinschaft zu produzieren. Viele Kibbuzim spezialisierten sich auf bestimmte landwirtschaftliche Produkte, wie Zitrusfrüchte, Milchprodukte oder Getreide. Doch mit der Zeit diversifizierten sich viele Kibbuzim und gründeten Industrieunternehmen, um wirtschaftlich unabhängiger zu werden.

Die Kibbuzim heute: Wandel und Anpassung

Mit der Zeit haben sich die Kibbuzim verändert. Die traditionellen Werte der kollektiven Landwirtschaft und des gemeinschaftlichen Lebens wurden in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Frage gestellt, besonders durch die wirtschaftlichen Herausforderungen Israels und die Globalisierung. Viele Kibbuzim begannen, sich zu privatisieren und sich von dem strikten Kollektivismus zu lösen. Heute gibt es in Israel rund 270 Kibbuzim, von denen einige immer noch kollektiv organisiert sind, während andere eher wie normale Dörfer funktionieren, in denen Privatbesitz und individuelle Gehälter möglich sind.

Trotz dieser Veränderungen bleiben die Kibbuzim ein wichtiger Teil der israelischen Gesellschaft. Sie sind Orte, an denen Menschen eine starke Gemeinschaft und eine enge Verbindung zur Natur und zur Landwirtschaft erleben können. Einige Kibbuzim haben sich erfolgreich an die modernen Gegebenheiten angepasst und sind zu wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen geworden, die weltweit bekannte Produkte herstellen.

Tragische Ereignisse: Der 7. Oktober und die Schattenseiten der Geschichte

Ein tragisches Kapitel in der Geschichte der Kibbuzim ereignete sich am 7. Oktober 2023, als mehrere Kibbuzim an der Grenze zum Gazastreifen von einem schweren Angriff der Hamas getroffen wurden. Dieser Angriff, der als Teil eines größeren Konflikts zwischen Israel und Palästina stattfand, führte zu schrecklichen Verlusten an Menschenleben und zerstörte das friedliche Leben vieler Gemeinschaften. Zahlreiche Kibbuz-Mitglieder wurden getötet, verschleppt oder mussten ihre Heimat verlassen, während ihre Siedlungen verwüstet wurden.

Dieser schmerzliche Vorfall zeigt, dass die Kibbuzim, obwohl sie Orte des Friedens und der Gemeinschaft sein sollen, nicht vor den politischen und militärischen Konflikten in der Region gefeit sind. Die Angriffe vom 7. Oktober bleiben ein trauriges Mahnmal dafür, dass der Nahostkonflikt auch das Leben derjenigen betrifft, die versuchen, in Harmonie mit ihrer Umgebung zu leben.

Bekannte Kibbuzim und ihre weltweiten Errungenschaften

Einige Kibbuzim haben sich über die Jahre hinweg einen internationalen Ruf erarbeitet, sei es durch ihre landwirtschaftlichen Innovationen oder durch Produkte, die weltweit exportiert werden. Ein Beispiel ist der Kibbuz Ein Gedi, der nicht nur für seine wunderschönen botanischen Gärten bekannt ist, sondern auch für die Herstellung von hochwertigen Kosmetikprodukten aus Mineralien des Toten Meeres. Diese Produkte werden weltweit vermarktet und sind ein wichtiger Wirtschaftszweig für den Kibbuz.

Ein anderes Beispiel ist der Kibbuz Yotvata, der für seine Milchprodukte berühmt ist. Yotvata liegt in der Negev-Wüste, einer der trockensten Regionen Israels, doch dank innovativer Bewässerungstechniken und einer engagierten Gemeinschaft ist es dem Kibbuz gelungen, eine florierende Molkerei aufzubauen. Die Milchprodukte von Yotvata sind in ganz Israel und darüber hinaus bekannt und gelten als Synonym für Qualität und Nachhaltigkeit.

Moving To Israel - Fly Over Kibbutz Yotvata

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Der Kibbuz Sde Boker, in dem Israels erster Premierminister David Ben-Gurion seine letzten Jahre verbrachte, ist ein weiteres Beispiel für den Einfluss der Kibbuzim. Ben-Gurions Vision war es, die Negev-Wüste zu besiedeln und fruchtbar zu machen, und Sde Boker wurde zu einem Symbol für diese Vision. Heute ist der Kibbuz ein wichtiges Zentrum für Forschung und Entwicklung in den Bereichen Wüstenlandwirtschaft und erneuerbare Energien.

Produkte aus den Kibbuzim: Ein Stück Israel in der Welt

Viele der Produkte, die in Kibbuzim hergestellt werden, haben den Weg in die Weltmärkte gefunden und sind international anerkannt. Neben den bereits erwähnten Kosmetika und Milchprodukten gibt es auch andere bemerkenswerte Beispiele. Der Kibbuz Hatzerim beispielsweise ist der Geburtsort des Netafim-Tropfbewässerungssystems, einer revolutionären Technologie, die in der Landwirtschaft weltweit eingesetzt wird, um Wasser effizienter zu nutzen.

Die Tropfbewässerung hat die Art und Weise, wie Landwirte in trockenen Regionen wie Israel, aber auch in anderen Teilen der Welt, ihre Felder bewässern, grundlegend verändert. Sie ermöglicht es, Wasser direkt an die Wurzeln der Pflanzen zu liefern und so den Wasserverbrauch erheblich zu reduzieren. Netafim ist heute ein globales Unternehmen und ein führender Anbieter von Bewässerungslösungen.

Die Kibbuzim – Zwischen Tradition und Moderne

Die Kibbuzim sind ein faszinierendes Kapitel der israelischen Geschichte und ein einzigartiges Experiment in kollektivem Leben und Arbeiten. Was als idealistischer Traum einer besseren Gesellschaft begann, hat sich über die Jahrzehnte hinweg zu einem dynamischen Teil der israelischen Gesellschaft entwickelt. Obwohl viele Kibbuzim heute nicht mehr so kollektiv organisiert sind wie früher, bleiben sie Orte, an denen Gemeinschaft, Innovation und eine tiefe Verbundenheit zur Natur im Mittelpunkt stehen.

Die Kibbuzim haben sich an die Herausforderungen der Moderne angepasst, und einige von ihnen haben weltweit bekannte Produkte und Technologien hervorgebracht. Doch sie sind auch mit den Schattenseiten der Geschichte konfrontiert, wie die tragischen Ereignisse vom 7. Oktober zeigen. Trotz allem bleibt der Kibbuz ein Symbol für den menschlichen Willen, gemeinsam etwas Größeres zu schaffen – ein Modell, das in einer Welt, die zunehmend von Individualismus geprägt ist, nach wie vor fasziniert und inspiriert.

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Peter Winkler http://schimonswelt.com

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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