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Vererbte Gedanken – Was wir unbewusst weitertragen

Es gibt Sätze, die begleiten uns ein Leben lang. Nicht, weil wir sie bewusst gewählt hätten – sondern weil sie früh in uns gepflanzt wurden. In der Kindheit, in der Familie, in der Schule, in unserer Kultur. Manchmal hören wir diese Sätze nicht einmal mehr bewusst. Sie sind einfach da. Wie eine innere Stimme, die unsere Entscheidungen kommentiert. Wie ein Hintergrundrauschen, das unser Denken formt. Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem solche Sätze einen festen Platz hatten. Mein Vater war Pastor, und ich wurde von klein auf in eine klare Glaubenswelt hineingeboren. Viele der Regeln und Überzeugungen, die dort galten, habe ich nicht hinterfragt – ich habe sie einfach übernommen. Und einer dieser Sätze lautete: „Du musst Deine Feinde lieben und segnen, die Dich verfluchen.“

Heute, mit etwas Abstand, merke ich, wie tief dieser Satz in mir verankert war – und wie sehr er mich geprägt hat. Es ist ein Satz mit hoher moralischer Kraft, keine Frage. Aber er kann auch eine Last sein, wenn er nicht im rechten Kontext gelebt wird. Für mich bedeutete er über viele Jahre: Zurückhaltung. Schweigen. Geduld, auch da, wo klare Grenzen nötig gewesen wären. Ich habe versucht, Menschen zu vergeben, die nie um Vergebung gebeten haben. Ich habe Beziehungen aufrechterhalten, obwohl sie mir schadeten. Ich habe gelernt, still zu leiden – weil das als richtig galt. Und ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass das kein Zeichen von Stärke war, sondern von Überanpassung.

Was wir glauben, hat Macht über uns

Solche Sätze wirken wie Programmierungen. Sie laufen im Hintergrund – und beeinflussen unsere Gedanken, unser Verhalten, unsere Entscheidungen. Viele dieser inneren Überzeugungen haben wir nie bewusst gewählt. Sie wurden uns mitgegeben, manchmal mit guten Absichten, oft ganz nebenbei. Und sie bleiben. Oft über Jahrzehnte. In meiner Arbeit als Coach begegnen mir diese Muster immer wieder. Menschen, die glauben, dass sie nur dann wertvoll sind, wenn sie leisten. Menschen, die gelernt haben, ihre Gefühle zu unterdrücken. Menschen, die überzeugt sind, dass sie sich selbst zurücknehmen müssen, um geliebt zu werden. Diese Gedanken sind nicht einfach da – sie wurden irgendwann eingepflanzt. Und sie wurden nie neu überprüft.

Was wir unbewusst übernehmen, geben wir oft auch unbewusst weiter. An unsere Kinder. An unsere Partner. An unser Umfeld. Wir erzählen dieselben Geschichten, benutzen dieselben Sätze, wiederholen dieselben Muster – selbst dann, wenn wir sie eigentlich überwinden wollten. Es ist wie ein Faden, der sich durch Generationen zieht. Unsichtbar, aber wirkungsvoll. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass wir hinschauen. Nicht mit Anklage, sondern mit Klarheit. Was habe ich übernommen, das mir heute nicht mehr dient? Was davon halte ich für Wahrheit – obwohl es eigentlich nur eine alte Geschichte ist?

Veränderung beginnt mit Bewusstheit. Es geht nicht darum, unsere Vergangenheit zu verurteilen. Es geht darum, sie zu verstehen. Und dann zu entscheiden, was wir daraus machen wollen. Welche Gedanken will ich behalten? Welche darf ich loslassen? Und welche neuen Gedanken möchte ich vielleicht säen – für die nächste Generation, für mein Umfeld, für mich selbst?

Ich bin überzeugt: Wir müssen nicht bleiben, wer wir einmal geworden sind. Wir dürfen uns verändern. Und wir dürfen die Sätze, die uns geprägt haben, neu schreiben.

Die passende Podcastfolge zur Themenwoche gibt es wie immer auf YouTube und Spotify.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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