Der Vorfall reiht sich ein in eine beunruhigende Serie antisemitischer Straftaten in Thüringen. Bild: Symbolbild

Zwischen dem Freitagnachmittag und Samstagvormittag ereignete sich im thüringischen Apolda eine abscheuliche Tat, die einmal mehr das erschreckende Ausmaß von Antisemitismus in unserer Gesellschaft zeigt. Unbekannte Täter legten einen Schweinekopf vor das Prager-Haus, eine Gedenkstätte, die an die von den Nationalsozialisten ermordete jüdische Familie Prager erinnert. Die Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung, der Staatsschutz wurde eingeschaltet. Dieser Vorfall ist nicht nur eine Schändung eines Gedenkortes, sondern ein bewusster Angriff auf das Andenken an die Opfer der Shoah und ein deutliches Zeichen fortwährender Judenfeindlichkeit.

Das Prager-Haus: Ein Ort der Erinnerung

Das Prager-Haus in der Bernhard-Prager-Gasse ist nicht irgendein Gebäude. Es war einst das Geschäfts- und Wohnhaus von Bernhard Prager, einem jüdischen Händler, der 1944 von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und dort ermordet wurde. Bernhard Prager, geboren 1888 in Wenings (Hessen), war ein angesehener Bürger Apoldas und Träger des Eisernen Kreuzes, nachdem er im Ersten Weltkrieg gedient hatte. Er war für seine sozialen Engagements bekannt, wie beispielsweise die Unterstützung bedürftiger Mütter während der Inflation 1923/24.

Bernhard Prager und seine Frau Gertrud, die er 1919 heiratete, hatten einen Sohn namens Heinz. Heinz musste Apolda verlassen, um in Berlin Zwangsarbeit zu leisten. Im Dezember 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert, wo er 1943 von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Auch Gertrud und Bernhards Schwiegermutter Fanny wurden Opfer der Shoah. Nach ihrer Deportation nach Theresienstadt starb Fanny nach nur drei Monaten. Gertrud wurde 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Bernhard selbst starb ebenfalls 1944 in Theresienstadt.

Heute beherbergt das Haus eine Gedenk- und Bildungsstätte, die an die Verbrechen des Holocaust erinnert und das Leben der Familie Prager dokumentiert. Nach der Shoah lag das Gebäude lange Zeit brach, bis ein engagierter Verein es erwarb, sanierte und zum Mahnmal umgestaltete. Die Arbeit des Vereins hat das Haus zu einem wichtigen Ort der Aufklärung und Mahnung gemacht.

Ein Symbol der Verachtung: Der Schweinekopf

Im Judentum gilt das Schwein als unreines Tier, das nicht verzehrt werden darf. Einen Schweinekopf vor einer jüdischen Gedenkstätte abzulegen, ist eine kalkulierte Provokation. Es handelt sich um ein Symbol der Verachtung, das die Täter bewusst gewählt haben, um zu verletzen, zu beleidigen und die Erinnerung an die Opfer des Holocaust zu entweihen.

Die Wahl des Ortes macht die Tat besonders perfide. Sie ist ein Angriff auf die Würde eines Ortes, der der Erinnerung und der Bildung gewidmet ist. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) sprach von einer „respektlosen Tat“ und einer „inakzeptablen Grenzüberschreitung“. Innenminister Georg Maier (SPD) ergänzte: „Diese Tat ist ein klarer Ausdruck von Antisemitismus, der in unserer Gesellschaft keinen Platz hat.“

Antisemitismus in Thüringen: Eine besorgniserregende Entwicklung

Der Vorfall reiht sich ein in eine beunruhigende Serie antisemitischer Straftaten in Thüringen. Nach Angaben des Innenministeriums verzeichnete die Landespolizeidirektion Jena zuletzt überdurchschnittlich viele Vorfälle, darunter Volksverhetzungen, Sachbeschädigungen und Bedrohungen. Diese Entwicklung zeigt, dass Antisemitismus nicht nur ein Relikt der Vergangenheit ist, sondern ein ernsthaftes Problem unserer Gegenwart bleibt.

Gedenkorte wie das Prager-Haus sind essenziell, um die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit wachzuhalten und Aufklärung zu leisten. Doch sie werden immer wieder Zielscheibe von Hass und Intoleranz. Dies stellt nicht nur die Arbeit der beteiligten Vereine und Initiativen vor Herausforderungen, sondern auch unsere Gesellschaft vor die Frage, wie wir mit diesem Hass umgehen.

Was jetzt getan werden muss

Es reicht nicht, solche Taten zu verurteilen – auch wenn die klaren Worte von Ministerpräsident Voigt und Innenminister Maier wichtig sind. Antisemitismus darf nicht nur auf Worte treffen, sondern muss Konsequenzen haben. Die Täter dieses abscheulichen Angriffs müssen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Darüber hinaus braucht es eine verstärkte Bildungsarbeit, um die Wurzeln von Judenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft anzugehen.

Orte wie das Prager-Haus sind nicht nur Denkmäler der Vergangenheit, sondern auch Mahnrufe für die Gegenwart. Es liegt an uns allen, dafür zu sorgen, dass sie geschützt werden – vor physischem Schaden ebenso wie vor ideologischen Angriffen. Denn jeder Angriff auf einen solchen Ort ist ein Angriff auf die Werte unserer Gesellschaft: Erinnerung, Toleranz und das Bekenntnis zu einer gemeinsamen Menschlichkeit.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser Vorfall die Menschen wachrüttelt und zu mehr Engagement gegen Antisemitismus führt. Vielleicht gibt Dir das Schicksal der Familie Prager und die Bedeutung dieses Gedenkortes den Anstoß, selbst aktiv zu werden – sei es durch Unterstützung der beteiligten Vereine, durch Bildungsarbeit oder durch klare Haltung gegen jede Form von Judenhass.

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Von Peter Winkler

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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