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Ein Gesellschaftsjahr für alle – warum diese Idee mich begeistert

Heute Morgen habe ich im Radio gehört, dass die Grünen vorschlagen wollen, ein sogenanntes „Gesellschaftsjahr“ für alle einzuführen. Männer wie Frauen – jeder soll neun bis zwölf Monate lang etwas für die Gemeinschaft tun. Anlass ist die aktuelle Diskussion um die Wehrpflicht. Immer weniger junge Menschen melden sich freiwillig zur Bundeswehr, und die Streitkräfte klagen über fehlenden Nachwuchs. Genau hier könnte ein Gesellschaftsjahr die Lösung sein: Wer tauglich ist, kann selbst wählen, ob er seinen Dienst bei der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung leistet. Das wäre gerecht, praktikabel und würde gleichzeitig zwei Probleme lösen – die fehlenden Soldaten und den Personalmangel im sozialen Bereich. Ich musste ehrlich gesagt schmunzeln, als ich das hörte. Nicht, weil ich die Idee schlecht finde – im Gegenteil. Sondern, weil ich das schon vor Jahren vorgeschlagen habe: Wir brauchen genau so etwas. Ein verpflichtendes Jahr für die Gesellschaft, das alle Generationen wieder näher zusammenbringt.

Gesellschaftsjahr für alle – eine gerechte Lösung für Deutschland?

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Ich bin in den Achtzigern groß geworden. Damals gab es noch die Wehrpflicht. Jeder junge Mann musste zur Musterung, und wer aus Gewissensgründen nicht zur Bundeswehr wollte, konnte Zivildienst leisten. Ich erinnere mich gut an diese Zeit. Mein Vater war Heimleiter in einem Altenheim, und dort arbeiteten regelmäßig mehrere „ZDLs“, wie wir sie nannten – Zivildienstleistende. Sie halfen im Pflegebereich, beim Hausmeister oder in der Küche, und sie waren fester Teil des Teams. Ich erinnere mich an das Miteinander, an die Gespräche, an das gemeinsame Mittagessen. Das war nicht nur eine gute Sache für die Einrichtung, sondern auch für die jungen Männer selbst. Sie haben Verantwortung gelernt, Teamarbeit, Rücksicht, Geduld. Dinge, die man in keinem Schulbuch findet.

Warum wir dieses Jahr brauchen

Ich bin überzeugt: So ein Jahr tut jedem Menschen gut. Es fördert nicht nur das Verantwortungsgefühl, sondern auch die Persönlichkeit. Ich habe damals bei der Bundeswehr erlebt, was Gemeinschaft bedeutet – Kameradschaft, Disziplin, Grenzen überwinden. Manche Rekruten kamen direkt aus der Schule, andere nach einer Ausbildung oder einem Studium. Sie alle haben sich in dieser Zeit verändert. Sie haben gelernt, was es heißt, füreinander einzustehen, sich durchzubeißen, stolz zu sein auf das, was man geschafft hat.

Heute fehlt vielen jungen Menschen genau das. Diese Erfahrung, dass man gebraucht wird. Dass man Teil eines größeren Ganzen ist. Und dass man mit anpacken kann, auch wenn es unbequem ist. Ein Gesellschaftsjahr könnte das wiederbringen – nicht als Strafe, sondern als Chance. Egal ob jemand in einem Altenheim arbeitet, in der Pflege hilft, in der Kommune mit anpackt, in der Tafel Lebensmittel verteilt oder beim Technischen Hilfswerk Katastrophenschutz lernt – überall könnte man Menschen einsetzen, die sonst vielleicht ein Jahr lang nicht wissen, wohin mit sich.

Und das Beste: Es wäre gerecht. Frauen und Männer würden gleichbehandelt. Jeder leistet seinen Beitrag. Kein Flickenteppich aus Freiwilligkeit, Sonderregelungen und Ausnahmen – sondern ein klares Signal: Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft, also tun wir auch etwas für sie.

Mein Vorschlag für die Umsetzung

Natürlich müsste das Ganze gut organisiert sein. Die Musterung zum Beispiel – die könnte man problemlos über die Hausärzte abwickeln. Jeder geht sowieso regelmäßig dorthin. Der Arzt prüft nach klaren Vorgaben, ob jemand gesundheitlich tauglich ist, und meldet das Ergebnis weiter. So bräuchte man keine neuen Behörden, keine teuren Verwaltungsstrukturen.

Auch finanziell wäre das machbar. Damals, bei der Bundeswehr, haben die Rekruten nicht viel verdient. Aber sie hatten Unterkunft, Verpflegung, Kleidung. Es war überschaubar, aber fair. Und so könnte es wieder sein: ein kleines Entgelt, dazu Essen, Versicherung und vielleicht ein Bildungsgeld für die Zeit danach. Das Wichtigste ist doch, dass wir junge Menschen in Bewegung bringen – raus aus der digitalen Blase, hinein ins echte Leben.

Ich glaube, dass unser Land genau das braucht: mehr Miteinander, mehr Verständnis füreinander. Wenn ein Jugendlicher ein Jahr lang mit alten Menschen arbeitet, wenn ein Abiturient lernt, was Pflege wirklich bedeutet, wenn jemand, der später Lehrer werden will, mal in einer Flüchtlingsunterkunft hilft – dann verändert das nicht nur den Blick auf die Welt, sondern auch auf sich selbst.

Ein solches Jahr würde Brücken schlagen, wo heute Gräben sind. Es würde Integration fördern, Einsamkeit lindern und die Wertschätzung für viele Berufe stärken, die heute kaum Anerkennung bekommen. Es wäre ein Jahr fürs Leben – und für die Gesellschaft.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

One Comment

  • Peter Winkler

    Ich möchte an dieser Stelle noch etwas ergänzen, was mir besonders wichtig ist: Durch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr könnte man auch das Problem rund um die Pflegestufe 1 entschärfen. Viele Menschen, die nur leichte Unterstützung brauchen, könnten von Zivildienstleistenden betreut werden – beim Einkaufen, bei Arztbesuchen oder im Haushalt. Das würde nicht nur die Angehörigen entlasten, sondern auch die Krankenkassen deutlich entlasten. Am Ende würde die Gesellschaft doppelt profitieren: finanziell und menschlich.

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