Michael Chernin von der Israelischen Antikenbehörde mit der von ihm gefundenen Inschrift. Bild: Emil Aladjem, Israelische Antikenbehörde.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die große Geschichten erzählen können. In diesem Fall war es ein Fragment einer Porzellanschale, entdeckt auf dem Zionsberg in Jerusalem, das uns in eine faszinierende Welt der Handelsbeziehungen und kulturellen Verbindungen zwischen Fernost und dem Nahen Osten im 16. Jahrhundert entführt. Diese Schale, mit einer chinesischen Inschrift versehen, öffnet ein Fenster zu einer Vergangenheit, die uns zeigt, wie globalisiert die Welt schon vor Jahrhunderten war.

Die Schale stammt aus der Ming-Dynastie, einer Zeit des kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwungs in China. Das Porzellan dieser Epoche, insbesondere aus der berühmten Produktionsstadt Jingdezhen, galt als ein Synonym für Luxus und wurde weltweit exportiert. Auf der Unterseite der Schale, die auf die Jahre 1520 bis 1570 datiert wird, fanden Archäologen eine Inschrift, die übersetzt lautet: „Für immer werden wir die ewige Quelle bewahren.“ Dieser poetische Satz lässt Raum für Interpretation – vielleicht war er ein Symbol für Beständigkeit, Wohlstand oder spirituelle Werte.

Die Entdeckung der Schale war ein Zufall, wie so oft in der Archäologie. Während der routinemäßigen Vorbereitungen für die nächste Ausgrabungssaison bemerkte der Archäologe Michael Chernin ein farbiges Objekt, das aus dem Boden ragte. Als er es reinigte, erkannte er die Inschrift. Spezialisten bestätigten schließlich, dass es sich um chinesische Schriftzeichen handelte. Bis dahin hatte man in Israel zwar bereits antikes chinesisches Porzellan gefunden, jedoch keines mit einer derart klaren Inschrift. Es ist erstaunlich, dass ein solcher Fund ausgerechnet auf dem Zionsberg gemacht wurde, einem Ort, den wir eher mit biblischer Geschichte oder der Zeit des Zweiten Tempels verbinden.

Wie kam diese Schale überhaupt nach Jerusalem? Historische Aufzeichnungen aus der Ming-Dynastie berichten von engen Handelsbeziehungen zwischen dem chinesischen Kaiserreich und dem Osmanischen Reich, das im 16. Jahrhundert das Gebiet des heutigen Israels regierte. Etwa 20 offizielle osmanische Delegationen besuchten zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert den Kaiserhof in Peking. Neben diplomatischen Verbindungen war der Handel ein entscheidender Faktor. Chinesisches Porzellan, Gewürze und Seide fanden ihren Weg in den Nahen Osten, während umgekehrt Gewürze, Glaswaren und Metallarbeiten nach China exportiert wurden.

Was ich besonders spannend finde, ist, dass Reiseberichte dieser Zeit auf blühende Handelskolonien hinweisen. Der chinesische Gelehrte Ma Li erwähnte 1541 beispielsweise Kaufmannssiedlungen in Städten wie Beirut und Tripolis. Auch Jerusalem wird in seinen Schriften genannt. Diese Stadt war damals unter osmanischer Herrschaft ein bedeutender Knotenpunkt an den Handelsrouten, die Europa, Asien und Afrika verbanden. Man kann sich leicht vorstellen, wie diese Schale über eine Handelsroute, vielleicht durch die Hände verschiedener Händler, ihren Weg von China in die Heilige Stadt fand.

Die Inschrift selbst gibt mir zu denken. „Für immer werden wir die ewige Quelle bewahren“ – was könnte damit gemeint sein? Wasser war in der chinesischen Kultur stets ein Symbol für Leben, Wohlstand und Beständigkeit. Vielleicht war die Schale ein Geschenk, versehen mit guten Wünschen für ihren Empfänger. Oder sie trug eine spirituelle Botschaft, die tief in den philosophischen Traditionen Chinas verwurzelt war. In jedem Fall spiegelt sie die Verbindung von Schönheit, Funktion und Bedeutung wider, die chinesisches Porzellan so besonders macht.

Dieser Fund zeigt uns, wie stark die Welt auch in der Vergangenheit miteinander verknüpft war. Die Globalisierung, über die wir heute sprechen, hat ihre Wurzeln weit früher, als wir oft denken. Es ist ein Beweis dafür, dass kultureller Austausch und Handel schon immer Brücken zwischen unterschiedlichen Regionen und Völkern geschlagen haben.

Was mich an dieser Geschichte besonders berührt, ist, wie lebendig und greifbar sie macht, was wir sonst nur aus Geschichtsbüchern kennen. Diese kleine Schale, unscheinbar und zerbrochen, erzählt von Handelsbeziehungen, von Diplomatie, von den Reisen der Kaufleute und von den Menschen, die sie benutzten. Sie erinnert uns daran, wie kostbar solche Funde sind und wie wichtig es ist, sie zu bewahren – nicht nur als Relikte der Vergangenheit, sondern auch als Inspiration für die Zukunft.

Die Worte auf der Schale sind vielleicht auch eine Mahnung für uns: „Für immer werden wir die ewige Quelle bewahren.“ Sie könnten uns daran erinnern, wie entscheidend es ist, die Quellen unseres Wissens und unserer Kultur zu schützen. Denn nur, wenn wir unsere Vergangenheit verstehen, können wir die Gegenwart besser begreifen und die Zukunft gestalten.

Was denkst du darüber? Solche Funde regen doch dazu an, über die Verbindungen in unserer eigenen Welt nachzudenken. Schreib mir gerne, wie du diese Entdeckung siehst und welche Geschichten dich besonders faszinieren!

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Von Peter Winkler

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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