Unsere Welt von morgen

Mandelträume und Wasserrealität: Warum der Nussbaum den Weinbau nicht retten wird

Gestern gab es in Oppenheim schöne Bilder zu sehen. Das Landwirtschaftsministerium und Staatssekretär Andy Becht hatten zum ersten „Mandelgipfel“ geladen. Die Botschaft klang verlockend und fast schon romantisch: Wo der Weinbau kriselt, sollen künftig Mandeln blühen. Angesichts der Absatzkrise beim Wein und der Angst vor brachliegenden Flächen („Drieschen“) wird die Mandel als der neue Heilsbringer für eine resilientere Landwirtschaft verkauft. Man spricht von Synergien, weil Mandeln und Wein angeblich die gleichen Standortbedingungen lieben. Ich habe mir die Pressemeldung genau durchgelesen und muss sagen: Setzt man die rosarote Brille der Mandelblüte ab, sieht die Realität auf dem Acker leider ganz anders aus.

Der Durst der Mandel

Ich höre in letzter Zeit immer öfter, dass Winzer nicht nur wegen fehlender Absätze, sondern vor allem wegen der Klimaerwärmung verzweifeln. Manche überlegen ernsthaft, ihre Reben mit Agri-PV-Anlagen zu beschatten, damit die Trauben nicht verkochen. Und genau hier liegt mein größtes Problem mit der heutigen Euphorie aus Oppenheim: Es ist ein gefährlicher Trugschluss zu glauben, dass die Mandel die Lösung für Trockenstandorte ist. Ja, ein Mandelbaum überlebt Hitze – er ist ein Überlebenskünstler. Aber ein Winzer will kein „Überleben“, er will Ertrag. Und um knackige, verkaufsfähige Mandeln zu produzieren, braucht der Baum Wasser – und zwar viel davon.

Wir reden hier von einer Kultur, die im Hochsommer, genau dann, wenn es auch in Rheinland-Pfalz künftig am trockensten sein wird, massiv Wasser benötigt, um die Kerne zu füllen. Ohne künstliche Bewässerung erntet man oft nur schrumpelige „Kümmerkerne“. Wenn ich also als Winzer schon Probleme habe, meinen Riesling vor dem Trockenstress zu retten, hole ich mir mit der Mandel eine Pflanze ins Haus, die noch durstiger ist, wenn es um Qualität geht. Ohne Speicherteiche für Winterwasser ist das eine Wette, die man kaum gewinnen kann.

Eine Wette gegen den Frost

Dazu kommt ein Risiko, das beim Weinbau meist glimpflicher ausgeht: der Frost. Während der Wein lange schläft, lässt sich die Mandel von den ersten warmen Februartagen locken. Sie blüht extrem früh. Ein einziger kalter Nachtfrost im März oder April – was bei uns absolut keine Seltenheit ist – und die komplette Jahresernte ist hinüber. Wer als Winzer, der ohnehin schon mit Liquiditätsproblemen kämpft, auf Mandeln umsteigt, tauscht im Grunde nur das Marktrisiko des Weins gegen das Frostrisiko der Nuss. Zudem braucht ein Mandelbaum gut fünf bis sieben Jahre, bis er nennenswerte Erträge liefert. Welcher Betrieb hat heute noch die Luft, so lange in Vorleistung zu gehen?

Natürlich gibt es Alternativen, über die man spricht. Die Olive ist gerade groß in Mode, aber sie ist ein Spiel mit dem Feuer. Ein strenger Winter alle zehn Jahre reicht, um die Bäume sterben zu lassen. Viel spannender – und das kam mir beim Gipfel zu kurz – wäre eigentlich die Pistazie. Sie ist der wahre Profi für Hitze und Trockenheit. Aber auch hier fehlt uns die Erfahrung.

Tourismus-PR oder echte Strategie?

Versteht mich nicht falsch: Ich liebe die Mandelblüte in der Pfalz. Für den Tourismus und das Marketing der Region ist sie Gold wert. Und ein paar Bäume am Feldrand sind sicher eine Bereicherung. Aber den Winzern heute auf einem Gipfel zu suggerieren, der professionelle Mandelanbau sei die große, wirtschaftliche Alternative zur Wein-Krise, halte ich für gewagt.

Es wirkt auf mich so, als wolle die Politik hier ein schönes Narrativ stricken: „Wir machen aus der Not eine Tugend.“ Aber Landwirtschaft ist keine Poesie. Wenn wir über Klimaanpassung reden, ist vielleicht die technisch kühl wirkende Agri-PV-Anlage über dem Weinberg oder der mühsame Aufbau von Wasserspeichern die ehrlichere Antwort als der Traum vom kalifornischen Mandelhain in Rheinhessen. Diversifizierung ist gut und richtig, aber sie muss auch wasserwirtschaftlich Sinn ergeben. Und da habe ich bei der Mandel meine Zweifel.

Wie seht ihr das? Ist der Hype um die Mandel nur schönes Marketing für Touristen oder eine echte Chance für unsere Landwirte? Vielleicht ist ja sogar ein Winzer unter euch, der gerade vor genau dieser Entscheidung steht: Agri-PV, Nüsse oder doch weiterhoffen? Schreibt mir eure Meinung und Erfahrungen in die Kommentare – ich bin gespannt auf die Diskussion!


Entdecke mehr von Schimons Welt

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

Kommentar verfassen