Diese Stolpersteine erinnern an die Gräueltaten in der Zeit des Nationalsozialismus. Bild: Initiative Stolpersteine

In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 2024 ereignete sich in der Stadt Zeitz ein Menschenverachtender Vorfall. Zehn Stolpersteine, die an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern, wurden aus dem Boden gerissen und gestohlen. Diese Tat ist mehr als nur ein Akt des Vandalismus – sie ist ein gezielter Angriff auf die Erinnerung an die Opfer des Holocausts und ein Ausdruck von Antisemitismus. Die Stolpersteine, die das Gedenken an die ermordeten Juden und andere Verfolgte des NS-Regimes bewahren sollen, wurden mutwillig zerstört, was die Bewohner der Stadt tief erschüttert hat.

Das Stolperstein-Projekt: Eine lebendige Erinnerung

Das Stolperstein-Projekt wurde in den 1990er Jahren von dem Kölner Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen. Ursprünglich begann er damit, eine Spur aus Farbe durch Städte zu ziehen, die den Weg der Deportierten in die Vernichtungslager nachzeichnete. Doch die Farbe verblasste mit der Zeit, und so entwickelte Demnig die Idee, Gedenksteine aus Messing in den Boden zu verlegen. So entstanden die Stolpersteine – kleine Pflastersteine, in die eine Messingplatte eingelassen ist, auf der die Namen, Lebens- und Todesdaten der Opfer des Nationalsozialismus eingraviert sind.

Heute sind über 112.000 Stolpersteine in 21 Ländern Europas verlegt, davon in mehr als 1.200 Städten in Deutschland. Diese Steine verhindern, dass die Opfer des Nationalsozialismus in Vergessenheit geraten. Sie geben den Menschen ihren Namen und ihren Platz in der Gesellschaft zurück. Jeder Stein symbolisiert ein individuelles Leben, das durch die Grausamkeiten des NS-Regimes gewaltsam ausgelöscht wurde.

Auch in Zeitz wurden zehn solcher Stolpersteine verlegt, die an die jüdischen Bürger der Stadt erinnern, die während des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Sie tragen die Namen von Siegfried Fürst, Bertha Mendelsohn geb. Bachmann, Emma Esther Mendelsohn geb. Bachmann, Siegfried Mendelsohn, Dr. Gustav Flörsheim, Hilda Flörsheim geb. Hamburger, Ingeborg Flörsheim, Auguste Lewy geb. Hesse, Hermann Blumenthal und Lydia Blumenthal geb. Weissmann. Diese Menschen lebten einst in Zeitz, und die Stolpersteine wurden an den letzten bekannten Wohnorten der Opfer – in der Kramerstraße, der Leipziger Straße und am Neumarkt – verlegt.

Der schändliche Diebstahl

In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 2024 wurden diese zehn Stolpersteine mutwillig aus dem Boden gerissen und entwendet. Dieser Vorfall ereignete sich kurz vor dem Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel, bei dem über 1.200 Menschen ermordet und viele weitere als Geiseln verschleppt wurden. In diesem Kontext wirkt der Diebstahl der Stolpersteine noch erschreckender, da er nicht nur ein Verbrechen gegen die Erinnerung ist, sondern auch einen direkten Zusammenhang mit diesem grausamen Terrorakt der Hamas herstellt.

Erinnerung an die jüdischen Opfer mutwillig zerstört: Zehn Stolpersteine in Zeitz herausgerissen und entwendet
Hier waren die Stolpersteine der Familie Flörsheim eingelassen. Bild: Initiative Stolpersteine

Bürgermeisterin Kathrin Weber zeigte sich tief betroffen und äußerte sich folgendermaßen: „Ich war geschockt, als ich die Nachricht erhielt. Wir als Stadt Zeitz, der gesamte Stadtrat, stellvertretend der Vorstand und die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates und auch ich als Person verurteilen diese unfassbare und unverzeihliche Tat. Vor dem Hintergrund zum Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel und vor dem Hintergrund, dass hier Gedenkorte geschändet wurden, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, kann man dieses nicht einfach als Diebstahl abtun. Wenn man bedenkt, dass während des 2. Weltkrieges Millionen Menschen verfolgt und ermordet wurden und erst vor einem Jahr mehr als 1200 Menschen beim Angriff der Hamas bestialisch getötet und über 200 Menschen entführt wurden, kann man eine solche Tat nicht verstehen und muss diese als politisch motiviert und als Angriff auf unsere Demokratie betrachten.“

Auch Dr. Ulf Altmann, der Vorsitzende des Stadtrates von Zeitz, äußerte sich entsetzt: „Ich habe mit Bestürzung von diesem neuerlichen Akt der Gewalt und Barbarei erfahren. Das Gedenken an die jüdischen Opfer eines unmenschlichen Terrors, begangen auf dem Boden unserer Heimat, begangen durch einen Unrechtsstaat, von Menschen an ihren eigenen Mitmenschen, wird böswillig missachtet und zerstört, zudem genau ein Jahr nach dem schrecklichen Terrorakt der Hamas. Egal, wer letztlich für diese Tat verantwortlich ist, der oder die Schuldigen stellen sich ganz bewusst in eine Tradition der Gewalt gegen wehrlose und unschuldige Menschen. Gewalt wird aber niemals die Lösung von Gewalt sein, sondern deren Spirale nur weiter anheizen. Neben den Ermittlungen der zuständigen Behörden sollte die schnellstmögliche Wiederherstellung der Stolpersteine dabei ein deutliches Signal aussenden. Alle Fraktionen des Stadtrates Zeitz sowie die Stadtverwaltung werden sich in dieser Frage einhellig positionieren, das ist schon jetzt erkennbar. Zeitz wird sich jeglicher Gewalt entschlossen und vereint entgegenstellen.“

Solidarität und Engagement der Bürger

Die Stadt Zeitz bleibt jedoch nicht allein in ihrer Empörung und Trauer über dieses abscheuliche Verbrechen. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger haben sich bereits bei der Stadtverwaltung gemeldet, um ihre Unterstützung anzubieten. Viele fragen, wie sie helfen können, damit die Stolpersteine so schnell wie möglich ersetzt werden.

Landrat Götz Ulrich reagierte schnell und richtete ein Spendenkonto ein, um die Wiederherstellung der Stolpersteine zu finanzieren. „Diese Tat ist unverzeihlich und niemals zu entschuldigen. Wer dies tut, will auch den Holocaust aus unserer Erinnerungskultur herausreißen. Das größte Menschheitsverbrechen aller Zeiten muss uns immer Mahnung bleiben, wozu Menschen fähig sind und wozu Deutsche fähig waren. Die Steine müssen sofort ersetzt werden. Hierzu werden finanzielle Mittel benötigt. Ich rufe daher auf, für neue Steine zu spenden“, sagte Ulrich. Die eingehenden Spenden werden in Zusammenarbeit mit der Stadt und der Initiative Stolpersteine genutzt, um die Steine alsbald zu ersetzen. Sollte mehr gespendet werden als nötig, werden die zusätzlichen Mittel dem Simon-Rau-Zentrum in Weißenfels zur Verfügung gestellt, das die Erinnerungsarbeit an die ehemaligen jüdischen Gemeinden im Burgenlandkreis unterstützt.

Ein Zeichen des Gedenkens

Dieser schreckliche Vorfall in Zeitz ist leider kein Einzelfall. Immer wieder werden Stolpersteine gestohlen oder beschädigt. Laut dem Künstler Gunter Demnig wurden weltweit etwa 900 Stolpersteine entwendet. Doch diese Taten sind keine bloßen Akte des Vandalismus – sie sind bewusste Angriffe auf das Gedenken an die Opfer des Holocausts und auf unsere Verpflichtung, diese Erinnerung lebendig zu halten.

Die Initiative Stolpersteine Zeitz und die Stadt Zeitz haben für den 19. Oktober einen Stadtrundgang organisiert, bei dem die Orte besucht werden, an denen die Stolpersteine gestohlen wurden. Dieser Rundgang soll ein Zeichen des Widerstandes gegen das Vergessen setzen und zeigen, dass die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus nicht gestohlen werden können. Zeitz wird sich nicht dem Hass beugen, sondern in Solidarität und Gemeinschaft für das Gedenken an die Opfer des Holocausts einstehen.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass diese Erinnerungen nicht verblassen. Jeder Stolperstein steht für ein Leben, das durch den Hass des Nationalsozialismus ausgelöscht wurde. Es liegt in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass diese Menschen niemals in Vergessenheit geraten.

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Von Peter Winkler

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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