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Kontrolle ist eine Illusion – und was das mit echter Freiheit zu tun hat

Kontrolle ist etwas, das auf den ersten Blick sehr beruhigend wirkt. Alles im Griff haben, den Überblick behalten, keine bösen Überraschungen erleben. Wer Kontrolle hat, fühlt sich sicher. Zumindest scheint es so. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass diese Sicherheit oft nur scheinbar ist – eine Illusion, die mehr kostet, als sie nützt.

Gerade bei Menschen, die Verantwortung tragen, zeigt sich dieses Muster immer wieder. Die innere Überzeugung: Nur wenn ich alles selbst koordiniere, läuft es richtig. Nur wenn ich jeden Schritt begleite, kann ich sicher sein, dass das Ergebnis stimmt. Besonders in Teams ist dieses Denken weit verbreitet – und gleichzeitig eine der größten Blockaden für Entwicklung und Kreativität.

Auch in meinem Leben hat sich dieser Konflikt oft gezeigt. In jungen Jahren war bei mir das Bedürfnis nach Kontrolle noch nicht so ausgeprägt. Doch mit zunehmender Erfahrung wurde deutlich, wie schwer es mir fiel, Verantwortung wirklich zu teilen. In Projekten, in der Arbeit mit Menschen – überall, wo Zusammenarbeit gefragt war, gab es dieses nagende Gefühl: Reicht es, was die anderen tun? Muss ich nicht doch eingreifen, um sicherzugehen, dass das Ziel erreicht wird?

Diese Haltung ist nicht böse gemeint. Sie entsteht aus einem tiefen Bedürfnis nach Sicherheit und einem hohen Verantwortungsgefühl. Doch sie bringt einen hohen Preis mit sich. Denn wer zu viel kontrolliert, engt ein. Und wer ständig kontrolliert, steht unter Daueranspannung. Das Ergebnis: Stress, Misstrauen, Erschöpfung.

Die Wissenschaft kennt dieses Phänomen als „Kontrollillusion“. Der Begriff beschreibt die menschliche Tendenz, sich mehr Einfluss auf ein Geschehen zuzuschreiben, als tatsächlich vorhanden ist. Dieser Glaube wirkt beruhigend, aber er verzerrt die Realität. Studien zeigen, dass Menschen sich häufig sicherer fühlen, wenn sie zumindest das Gefühl haben, etwas beeinflussen zu können – auch wenn diese Einflussnahme faktisch kaum möglich ist. Besonders unter Stress steigt dieses Bedürfnis. Es ist ein Versuch, Ordnung in eine unübersichtliche Welt zu bringen.

Doch Kontrolle ist nicht gleich Einfluss. Wer echte Führung übernehmen will – ob im beruflichen Kontext oder im persönlichen Leben – braucht mehr als Kontrolle. Er braucht Vertrauen. Und das beginnt mit dem Mut, loszulassen.

Denn oft entstehen die besten Ideen, wenn Raum entsteht. Wenn Menschen nicht nur Aufgaben erledigen, sondern mitdenken dürfen. Wenn nicht jeder Schritt kontrolliert wird, sondern neue Wege ausprobiert werden können. Gerade im kreativen oder zwischenmenschlichen Bereich zeigt sich immer wieder: Zu viel Kontrolle nimmt die Luft zum Atmen.

Das bedeutet nicht, dass Chaos das Ziel ist. Es bedeutet, das Gleichgewicht zu finden. Kontrolle an den richtigen Stellen – und Vertrauen da, wo Entwicklung möglich sein soll. Es geht nicht darum, alles laufen zu lassen. Aber eben auch nicht darum, alles festzuhalten.

Ein Bild kann dabei helfen: Man sollte nicht von der einen oder anderen Seite vom Pferd fallen. Weder totale Kontrolle noch völliges Loslassen bringen dauerhaft gute Ergebnisse. Die Kunst liegt darin, im Sattel zu bleiben. Mit Blick auf das Ziel, mit Gespür für das Tempo – und mit Vertrauen in die gemeinsame Reise.

Veränderung lässt sich nicht kontrollieren. Aber sie lässt sich gestalten. Wer bereit ist, das Steuer auch mal aus der Hand zu geben, wird oft überrascht – und zwar positiv. Vertrauen heißt nicht, blind zu sein. Vertrauen heißt, offen zu sein für das, was entstehen kann.

Morgen geht es im dritten Teil weiter: Dann steht der innere Widerstand im Mittelpunkt – jener Teil in uns, der Veränderung am liebsten verhindern würde. Und der doch so viel über unsere verborgenen Ängste verrät.

Den passenden Podcast zur heutigen Folge findest Du auf YouTube und Spotify unter Schimons Podcast.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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