Mein Weg ins Judentum – Warum ich diesen Schritt gegangen bin

Es gibt Entscheidungen im Leben, die trifft man nicht über Nacht. Sie reifen über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte. Meine Entscheidung, zum Judentum zu konvertieren, war genau so ein Prozess. Heute teile ich meine Geschichte – nicht, um zu überzeugen oder zu missionieren, sondern weil ich oft gefragt werde, warum ich diesen Schritt gegangen bin. Es ist mein Weg, meine Überzeugung, meine Wahrheit. Und ich glaube, es ist an der Zeit, darüber zu sprechen.

Ein Kind des Glaubens – Meine christliche Herkunft

Ich bin in einem streng religiösen, christlichen Elternhaus aufgewachsen. Mein Vater war Pastor in einer klassischen Pfingstgemeinde, die zum Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden gehörte. Der Glaube war allgegenwärtig, nicht nur sonntags, sondern in jedem Aspekt des Lebens. Bibelstunden, Gottesdienste, Chorstunden, Kinderstunden, Jugendkreise – das alles war selbstverständlich.

Von klein auf lernte ich, dass es klare Regeln gibt: Was richtig ist, was falsch ist, was Sünde ist und was Gott von uns verlangt. Die Angst davor, etwas falsch zu machen und damit nicht gottgefällig zu leben, begleitete mich ständig. Die Vorstellung von Himmel und Hölle war allgegenwärtig. Mein Leben bestand darin, alles „richtig“ zu machen. Und doch gab es in mir immer diesen einen Gedanken: Was ist wirklich wahr?

Die ersten Zweifel – Fragen, die keine Antworten fanden

Als ich älter wurde und mein theologisches Studium begann, tauchten immer mehr Fragen auf, auf die ich keine zufriedenstellenden Antworten bekam. Die wichtigste davon war die Frage nach der Trinität. Wie konnte Gott Mensch werden, sterben und gleichzeitig weiterhin allmächtig sein? Ich stellte diese Frage meinem Dozenten, doch seine Antwort war ernüchternd: „Das ist ein Geheimnis Gottes.“

Ich begann, die Bibel nach Antworten zu durchsuchen. Ich notierte mir jede Stelle, die Jesus als Gottes Sohn bezeichnete, und jede, die ihn als Gott selbst darstellte. Doch die Beweise für die Trinität waren rar. Das war der Moment, in dem ich erstmals spürte: Vielleicht stimmt hier etwas nicht.

Ein weiteres großes Thema war Römer 11. Dort ist von einem Ölbaum die Rede, in den Heiden eingepfropft werden. Viele Christen sahen dies als Bestätigung dafür, dass sie Teil von Gottes Volk geworden sind. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir: Der Ölbaum ist Israel, und wir Heiden werden ins Judentum eingepfropft. Doch warum wurde uns das nie so beigebracht?

Konfrontation mit Widerstand

Ich begann, offen über meine Zweifel zu sprechen, stellte Fragen in meiner theologischen Ausbildung und in den Gemeinden, in denen ich tätig war. Doch anstatt Antworten zu erhalten, wurde ich mit Skepsis betrachtet. In einer Gemeinde wurde ich sogar bedroht – ein leitender Bruder ballte die Faust vor mir und sagte, dass ich mit meinen Ansichten nicht weit kommen würde.

Ich erkannte, dass es in meinem Umfeld keinen Platz für meine Fragen gab. Also musste ich meinen eigenen Weg gehen.

Ich begann nach Antworten außerhalb des Christentums zu suchen und beschäftigte mich intensiver mit dem Judentum. Doch wo sollte ich anfangen? Ich wollte einen Rabbi finden, der meine Fragen ernst nahm und mir helfen konnte. Das war nicht leicht. Schließlich stieß ich auf Rebbe Baruch (Felix Kogan) aus Berlin. Seine Online-Schiurim (Lehrvorträge) öffneten mir eine völlig neue Welt.

Zum ersten Mal bekam ich Antworten auf meine Fragen – nicht aus der Perspektive des Christentums, sondern aus der jahrtausendealten jüdischen Tradition. Und plötzlich wurde mir vieles klar: Jeschua war Jude, seine ersten Anhänger waren Juden, die ersten „Christen“ betrachteten sich selbst noch als Teil des Judentums. Erst später entstand eine Religion, die sich von ihren jüdischen Wurzeln trennte.

Die ersten jüdischen Schritte

Meine Familie und ich begannen, Schabbat zu feiern. Zuerst ganz einfach, ohne viel Wissen, aber mit viel Herz. Wir wussten nicht genau, wie alles ablaufen sollte, aber wir wollten lernen. Später besuchten wir eine Synagoge in München. Ich erinnere mich gut an mein Gefühl: Ich fühlte mich klein, unsicher, hatte Angst, Fehler zu machen. Und doch war da auch dieses tiefe Wissen: Das ist der richtige Weg.

Natürlich war nicht alles einfach. Die Umstellung auf koschere Ernährung, die vielen Gebote – es war eine Überforderung. Wir wollten alles auf einmal perfekt machen, doch wir lernten schnell, dass das unmöglich war. Baruch erklärte uns, dass der Lernprozess wie eine Reinigung sei: Am Anfang ist das Wasser trüb, doch Tropfen für Tropfen wird es klarer.

Der wohl bedeutendste Moment war die Twila – das rituelle Eintauchen ins Wasser als Zeichen der Konversion. Danach wusste ich: Jetzt bin ich wirklich Jude. Es war nicht nur eine theologische Entscheidung, nicht nur ein Wissen, sondern ein tiefes Gefühl.

Seitdem gab es nie einen Moment des Zweifelns. Ja, es gab Herausforderungen, besonders im Umgang mit meinem alten Umfeld. Meine Familie, meine ehemaligen Glaubensgeschwister – sie konnten meinen Weg nicht nachvollziehen. Viele betrachteten mich als „vom Glauben abgefallen“. Aber das war ich nicht. Im Gegenteil – ich hatte endlich meine spirituelle Heimat gefunden.

Heute gibt mir das Schma Israel jeden Tag Kraft. Es ist die zentrale Identifikation meines Glaubens. Es erinnert mich daran, wer ich bin und warum ich diesen Weg gegangen bin.

Eine Botschaft für Suchende

Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die ihren Glauben hinterfragen, die nach Antworten suchen. Meine Botschaft an sie ist: Habt keine Angst. Ihr müsst nichts aus Angst vor der Hölle tun. Das Judentum missioniert nicht. Es zwingt niemanden. Die Wahrheit ist keine Last, sondern eine Entdeckung.

Ich bin zum Judentum übergetreten, weil ich erkannt habe, dass ich dadurch am richtigen Ort bin, um Haschem zu dienen und seinen Willen zu tun. Und dafür bin ich jeden Tag dankbar.

Schalom und bis bald!

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