Am vergangenen Sonntagabend versammelten sich über tausend Menschen in Jerusalem, um in Trauer und Gebet des 23-jährigen Hersh Goldberg-Polin zu gedenken, der von Hamas-Terroristen in Gaza ermordet wurde. Diese Mahnwache, die im Hof neben seiner Jerusalemer Synagoge stattfand, markiert nicht nur das Ende eines hoffnungsvollen Kampfes um seine Freilassung, sondern beleuchtet auch die tiefen Spaltungen und Herausforderungen, denen sich Israel inmitten des andauernden Konflikts mit der Hamas gegenübersieht.
Wie die „Jewish Telegraphic Agency“ berichtet, war diese Gedenkfeier sehr berührend und geprägt von Symbolen, die sowohl Trauer als auch Solidarität ausdrückten. Überdimensionale gelbe Bänder – als Zeichen für die Geiselnahmen – säumten die Geländer des Hofes, zusammen mit Fahnen von Hapoel Jerusalem, Hershs Lieblingsfußballmannschaft. Auf vielen Postern standen Worte der Hoffnung und Ermutigung, wie „Wir lieben dich, bleib stark, überlebe“ – ein Mantra, das von seiner Mutter Rachel Goldberg-Polin geprägt wurde. Doch trotz all dieser Symbole der Hoffnung war die Stimmung bedrückt und von tiefer Trauer geprägt.
Der Verlust einer lebendigen Hoffnung
Die Mahnwache spiegelte nicht nur die Trauer über den Verlust eines jungen Mannes wider, der als „Kind des Lichts, der Liebe und des Friedens“ beschrieben wurde, sondern auch das zerrissene Vertrauen in die Führung des Landes. Hersh Goldberg-Polin war ein Symbol der Hoffnung geworden, und seine Mutter Rachel hatte durch ihr unermüdliches Engagement für die Freilassung der Geiseln weltweit Aufmerksamkeit erregt. Sie war eine treibende Kraft, die den Glauben und die Hoffnungen vieler Menschen stützte.
Doch Hershs Tod, nur 48 Stunden vor der Mahnwache, hat diese Hoffnung zerbrochen. Für viele in der Gemeinschaft war sein Überleben bis zum Ende ein Zeichen der Stärke, doch der Schock über seine Ermordung riss tiefe Wunden. Wie eine Teilnehmerin sagte: „Millionen von Menschen auf der ganzen Welt hielten an ihr [Rachel Goldberg-Polin] fest. Als das durchtrennt wurde, wurde auch der Glaube vieler Menschen erschüttert.“
Die Kritik an der israelischen Führung
Die Ereignisse um Hersh Goldberg-Polins Tod haben in Israel eine Welle der Kritik an der Regierung ausgelöst. Besonders Premierminister Benjamin Netanyahu steht im Zentrum dieser Kritik. Viele Israelis werfen ihm vor, dass seine Kriegsstrategie, die Hamas zu besiegen, die Geiselbefreiungen behindert habe. Netanyahu, der selbst um Entschuldigung bat, dass er die Geiseln nicht lebend zurückholen konnte, schob die Schuld auf die Hamas, die seiner Meinung nach einen Deal verhindert habe. Doch diese Erklärung reicht vielen nicht aus. Der Zorn der Bevölkerung wächst, und die Spannungen im Land nehmen zu.
Josef Avi Yair Engel, dessen Enkel Ofir während eines Waffenstillstands im November aus der Gefangenschaft der Hamas freigelassen wurde, äußerte seine Enttäuschung über die Regierung deutlich. Er kritisierte Netanyahu dafür, dass seine Formel – die Zerschlagung der Hamas und die Rückkehr der Geiseln – unlogisch gewesen sei. Für Engel war es klar: „Es ist entweder das eine oder das andere.“ Seine Worte spiegeln die wachsende Besorgnis wider, dass Israel durch diesen Konflikt immer weiter auseinandergerissen wird. „Ich habe Angst, dass es in den kommenden Monaten überhaupt keinen Staat mehr geben wird“, fügte er hinzu.
Die Geiselkrise: Ein Symbol für den breiteren Konflikt
Der Fall von Hersh Goldberg-Polin steht stellvertretend für die tiefe Geiselkrise, die Israel erschüttert. Seit Beginn der eskalierenden Gewalt im Oktober, als Hamas-Terroristen bei einem Angriff auf Israel hunderte von Menschen töteten und dutzende als Geiseln nahmen, ringt die israelische Gesellschaft mit der Frage, wie diese Geiseln befreit werden können. Die Verhandlungen mit der Hamas gestalten sich schwierig, und die Frage, ob es überhaupt eine militärische Lösung für diese Krise geben kann, bleibt offen.
Die Terrororganisation Hamas hat wiederholt verdeutlicht, dass sie die Geiseln als strategische Druckmittel einsetzt, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Israel hingegen steht vor dem Dilemma, wie es sowohl die Geiseln befreien als auch die Bedrohung durch die Hamas dauerhaft eindämmen kann. Diese komplexe Situation spaltet das Land: Während einige einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen fordern, drängen andere auf eine entschiedene militärische Antwort, um die Terrororganisation endgültig zu besiegen.
Ein gespaltenes Israel: Hoffnung, Trauer und Wut
Die Mahnwache in Jerusalem spiegelt die tiefe Spaltung innerhalb Israels wider. Während einige Teilnehmer, wie Leah Silver, betonten, dass der Fokus auf Trauer und Gebet liegen sollte, wollten andere – wie Reza Green – ihre Wut und Frustration über den gesamten Verlauf des Konflikts ausdrücken. Diese Divergenzen zeigen, wie sehr die israelische Gesellschaft durch den anhaltenden Krieg und die damit verbundenen Opfer belastet ist.
Die Tatsache, dass nicht alle Anwesenden bereit waren, die israelische Nationalhymne „Hatikvah“ zu singen, unterstreicht die tiefe Verzweiflung und den Verlust des nationalen Zusammenhalts. Für viele ist die Frage nach dem „Warum“ allgegenwärtig, und die Antworten darauf sind schwer zu finden.
Der breitere Kontext: Israel und Gaza im Jahr 2024
Die Ermordung von Hersh Goldberg-Polin ist nur eine von vielen Tragödien in einem Konflikt, der seit Jahrzehnten andauert. Der Gaza-Krieg 2023, der im Oktober durch den Angriff der Hamas auf Israel begann, hat das Land erneut in eine tiefe Krise gestürzt. Dieser Krieg ist eine weitere Episode in einer langen Geschichte der Gewalt und des Blutvergießens, die immer wieder aufflammt, ohne dass eine nachhaltige Lösung in Sicht ist.
Seit dem Beginn des Konflikts hat die israelische Armee massive militärische Operationen im Gazastreifen durchgeführt, um die Hamas zu schwächen und die Sicherheit Israels zu gewährleisten. Gleichzeitig ist die humanitäre Lage in Gaza katastrophal, mit tausenden Toten, zerstörten Infrastrukturen und einer verzweifelten Bevölkerung.
Auf internationaler Ebene hat der Krieg zu einer erneuten Debatte über die Rolle der internationalen Gemeinschaft geführt. Während einige Länder Israel in seinem Kampf gegen den Terrorismus unterstützen, fordern andere einen sofortigen Waffenstillstand und eine Rückkehr zu Verhandlungen. Die geopolitische Komplexität der Situation macht es schwierig, eine klare Lösung zu finden, und es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage weiterentwickelt.
Ein Land in Trauer und Ungewissheit
Die Geschichte von Hersh Goldberg-Polin steht stellvertretend für das Leiden vieler Familien in Israel und auch in Gaza. Sie zeigt die tiefen emotionalen, sozialen und politischen Wunden, die dieser Konflikt hinterlässt. Während Israel weiterhin um die Freilassung der verbliebenen Geiseln kämpft und gleichzeitig versucht, die Hamas zu besiegen, bleibt die Frage offen, ob es eine Lösung geben kann, die den Schmerz und das Leid beider Seiten lindert.
Für die Gemeinschaft von Jerusalem, die Hersh Goldberg-Polin als „Kind des Lichts“ in Erinnerung behält, bleibt die Trauer tief und die Hoffnung auf Frieden fern. Doch trotz aller Dunkelheit hält ein Teil der Menschen weiterhin an ihrem Glauben fest – in der Hoffnung, dass am Ende doch noch Licht in diese dunkle Zeit kommen möge.
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