
Eisenmangel in der Aquaponik – Warum Ziegenmist mein Geheimtipp ist
Ich erinnere mich noch gut an eine Begebenheit in meinen ersten Jahren als Aquaponiker. Ich hatte mein erstes System aufgebaut, die Wasserwerte schienen stabil, die Fische fraßen gut, und auch die Pflanzen wuchsen anfangs ordentlich. Doch dann bemerkte ich etwas Merkwürdiges: Die jungen Blätter meiner Starkzehrer, besonders Gurken und Tomaten, verfärbten sich gelblich, während die Blattadern grün blieben. Es war, als würde ihnen die Kraft fehlen. Ich überprüfte Nitrat, Kalium, Magnesium – alles im Soll. Erst ein Gespräch mit einem Mann aus Westafrika, den ich auf einem kleinen Workshop kennenlernte, brachte mich auf eine unerwartete Spur. Er meinte beiläufig: „Wenn unsere Pflanzen so aussehen, geben wir Ziegenmist ins Wasser. Dann werden sie wieder grün.“
Ziegenmist? Ich war skeptisch, aber auch neugierig. Nach etwas Recherche fand ich heraus, dass Ziegenmist ein erstaunlich hoher Eisengehalt nachgesagt wird. Und Eisen ist ein entscheidender Mikronährstoff für Pflanzen. Vor allem für die Chlorophyllsynthese und damit für die Photosynthese ist es unentbehrlich. Ich begann zu experimentieren: Ich setzte kleine Mengen Ziegenmist in Wasser an, filterte den Sud und brachte ihn verdünnt ins System ein. Und siehe da: Die Blätter erholten sich. Die Farbe kam zurück. Das Wachstum wurde kräftiger.
Doch die Euphorie war nur von kurzer Dauer. Nach ein paar Tagen verpuffte der Effekt, das Eisen in dem angestzten Gemisch verfiel. Der Grund dafür liegt in der Chemie: Eisen liegt in zwei Formen vor – als zweiwertiges Eisen (Fe2+, sogenanntes „ferrous iron“) und als dreiwertiges Eisen (Fe3+, „ferric iron“). Nur die zweiwertige Form ist für Pflanzen direkt verfügbar, und genau diese ist unter aeroben Bedingungen und bei höherem pH-Wert instabil. In typischen Aquaponiksystemen mit pH-Werten zwischen 6,8 und 7,6 oxidiert das Eisen rasch zu Fe3+ und fällt als unlösliches Eisenhydroxid aus. Die Pflanzen können es dann nicht mehr aufnehmen.
Eisenmangel ist in vielen Aquaponiksystemen ein ständiger Begleiter – selbst dann, wenn im Wasser Eisen vorhanden ist. Die Pflanzen zeigen typische Symptome: gelbliche, fast weißlich wirkende Blätter mit auffällig grünen Blattadern. Das betrifft vor allem junge Triebe, da Eisen innerhalb der Pflanze nicht umgelagert werden kann. Besonders empfindlich reagieren Basilikum, Tomaten und auch Russischer Rotkohl. Wer die Sprache der Blätter lesen lernt, erkennt Eisenmangel meist auf den ersten Blick. Hilfreich sind dabei auch öffentlich zugängliche Diagnosehilfen, die Symptome verschiedenen Mängeln zuordnen.
Das sogenannte Eisen-Dilemma beginnt beim pH-Wert. Während Pflanzen Eisen am besten bei pH-Werten zwischen 5,5 und 6,5 aufnehmen, brauchen die Fische im System oft ein stabileres Milieu um 7 bis 7,5. Unter diesen Bedingungen wird das Eisen schnell unlöslich. UV-Filter können das Problem noch verschärfen, da sie chelatiertes Eisen zersetzen.
Die Lösung liegt in der Chelatierung. Chelate sind organische Verbindungen, die Eisen umschließen und so vor Oxidation schützen. Drei Formen sind im Aquaponikbereich gebräuchlich:
- FeEDDHA: Hochstabil bis pH 9, ideal für schwierige Bedingungen und langfristige Verfügbarkeit.
- FeDTPA: Bewährt bis etwa pH 7,5, gut erhältlich und zuverlässig.
- FeEDTA: Günstig, aber instabil ab pH 6,3. In der Aquaponik meist ungeeignet und zum Teil sogar bedenklich, da es auch als Herbizid verwendet wird.
Die Dosierung sollte bedacht erfolgen. Als grobe Richtlinie gelten 2 mg pro Liter alle drei Wochen, wobei der tatsächliche Eisenanteil auf der Verpackung ersichtlich ist (meist 6–12 %). Ich empfehle immer, vorsichtig anzufangen und die Pflanzen gut zu beobachten. Für schnelle Hilfe eignet sich Blattdüngung – dabei wird eine Eisenlösung direkt auf die Blätter gesprüht. Wichtig ist es, die Hinweise des Herstellers zu beachten, um keine Schäden durch Überdosierung zu verursachen.
Wenn im System ein UV-Filter vorhanden ist, kann es helfen, diesen für 24 bis 36 Stunden nach der Eisenzugabe auszuschalten. So bleibt das chelatierte Eisen länger erhalten und kann von den Pflanzen aufgenommen werden.
Ein weiterer Vorteil meiner heutigen Systeme ist, dass ich seit Jahren nicht mehr rein hydroponisch arbeite. Ich habe früh begonnen, mit Erde zu kombinieren. Die Pflanzen wachsen in Substratmischungen, die mit dem aquaponischen Wasser bewässert werden. Dieses Konzept, das man inzwischen auch als Trans-Aquaponik kennt, verbindet das Beste aus zwei Welten: die Nährstoffversorgung aus der Fischhaltung und die Stabilität eines belebten Bodens. Eisenmangel tritt hier kaum noch auf – höchstens bei Starkzehrern wie Tomaten oder Auberginen, wo ich gezielt nachhelfe.
Auch wenn die Methode mit dem Ziegenmist heute eher symbolischen Charakter hat, war sie für mich ein Schlüsselmoment. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, auch unkonventionellen Impulsen nachzugehen. Und sie hat mir deutlich gemacht, dass natürliche Lösungen oft ein wertvolles Lernfeld sind – auch wenn sie ihre Grenzen haben.
Eisen ist kein spektakuläres Thema – aber ein entscheidendes. Wer sich damit beschäftigt, lernt viel über die verborgene Dynamik in einem Kreislaufsystem. Und wer beginnt, auf die feinen Zeichen der Pflanzen zu achten, wird mit tieferem Verständnis belohnt – und mit gesünderen, kräftigeren Pflanzen. Schritt für Schritt. Blatt für Blatt.
