Lage in Israel und Gaza: Fragiler Waffenstillstand, Machtfrage in Gaza – Druck auf Israel wächst
Gut zwei Wochen nach Beginn der aktuellen Waffenruhe im Gazastreifen ist die Lage politisch extrem in Bewegung, aber vor Ort weiter dramatisch. Auf der einen Seite versuchen die USA gemeinsam mit regionalen Partnern, eine Nachkriegsordnung aufzubauen. Auf der anderen Seite ist humanitär, rechtlich und politisch vieles ungelöst – sowohl in Gaza als auch in Israel selbst.
Eine wichtige Mitteilung kam aus Kairo: Mehrere palästinensische Gruppen – nach eigenen Angaben auch unter Beteiligung der Hamas – haben sich darauf geeinigt, die zivile Verwaltung des Gazastreifens an ein unabhängiges Technokraten-Komitee zu übergeben. Dieses Komitee aus Palästinensern soll grundlegende Dienste wie Wasser, Strom, Gesundheit und Versorgung organisieren – und zwar in Abstimmung mit arabischen Staaten und internationalen Institutionen. Das Ziel: Nicht mehr eine bewaffnete Fraktion soll den Alltag kontrollieren, sondern eine Art Übergangsverwaltung mit fachlichem Mandat und Rechenschaftspflicht. Die Einigung wird von den beteiligten Gruppen als Schritt hin zu einer breiteren palästinensischen politischen Einheit verkauft – auch mit Blick auf eine mögliche spätere Einbindung in eine reformierte palästinensische Führung.
Parallel dazu bauen die USA gerade Strukturen auf, um den Waffenstillstand politisch zu stabilisieren. In Südisrael wurde ein „Civil-Military Coordination Center“ eingerichtet. Dieses Zentrum soll humanitäre Hilfe koordinieren und den Gaza-Plan von US-Präsident Donald Trump umsetzen. Ziviler Leiter ist der bisherige US-Botschafter im Jemen, Steven Fagin. Der Plan der USA sieht vor, dass schrittweise Sicherheit hergestellt, Hilfe verteilt und eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen aufgebaut wird.
Zum US-Plan gehört außerdem eine internationale Friedenstruppe („International Stabilization Force“), die in Gaza Sicherheit garantieren, eine neue palästinensische Polizei aufbauen und den Abzug israelischer Truppen absichern soll. Diese Truppe soll nur aus Ländern bestehen, „mit denen Israel sich wohlfühlt“, wie US-Außenminister Marco Rubio betont hat. Israel hat dabei deutlich gemacht, dass es keine türkischen Soldaten in Gaza sehen will.
Das alles steht unter dem Dach eines größeren politischen Pakets, das die USA als 20-Punkte- bzw. 21-Punkte-Friedensplan verkaufen: Waffenruhe, Freilassung von Geiseln, schrittweiser Rückzug Israels aus Teilen des Gazastreifens, Wiederaufbau – und langfristig eine palästinensische Verwaltung, die nicht mehr von der Hamas kontrolliert wird. Dieser Plan wird von Washington als „Weg zum dauerhaften Frieden“ beschrieben, aber er ist innenpolitisch hoch umstritten – sowohl in Israel als auch auf palästinensischer Seite. Kritiker wie der israelische Historiker Moshe Zimmermann nennen ihn offen eine „Show“ und bezweifeln, dass er wirklich eine stabile Lösung bringt.
Humanitäre Lage weiter kritisch – Streit über Rolle der UNRWA
Während über Strukturen für „danach“ geredet wird, bleibt die Lage für die Zivilbevölkerung in Gaza angespannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass die medizinische Versorgung trotz Waffenruhe weiterhin unzureichend ist: Nur ein Teil der Krankenhäuser arbeitet überhaupt noch, viele Menschen haben keinen Zugang zu Behandlung. Ein großes Problem ist, dass Israel aktuell nur zwei Grenzübergänge für Hilfslieferungen offen hält. Das erschwert laut WHO die Lieferung von Medikamenten, Ausrüstung und Personal erheblich.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag forderte kürzlich, Israel müsse den Zugang für humanitäre Hilfe durch UN-Organisationen, darunter auch das UN-Hilfswerk für Palästinenser (UNRWA), erleichtern. Doch dieser Punkt ist hoch umstritten: Da die UNRWA die Terrororganisation Hamas in der Vergangenheit nachweislich indirekt und auch direkt unterstützt hat – etwa durch die Duldung von Waffenlagern in ihren Einrichtungen und durch Personalverbindungen zu Hamas-Mitgliedern –, lehnen Israel und auch die USA es ab, dass die UNRWA in der künftigen Nachkriegsordnung eine Rolle spielt. Beide Staaten fordern stattdessen eine grundlegende Neustrukturierung der internationalen Hilfsmechanismen, um sicherzustellen, dass humanitäre Unterstützung tatsächlich den Zivilisten zugutekommt und nicht erneut missbraucht wird.
Ein weiterer Konfliktpunkt, der die Lage zusätzlich auflädt, ist das Westjordanland. Das israelische Parlament (die Knesset) hat einen ersten Schritt in Richtung einer möglichen Annexion von Teilen des besetzten Westjordanlands gemacht. Das sorgt international für scharfe Reaktionen. Die Bundesregierung in Berlin nennt diesen Kurs „grundfalsch“ und betont, dass jede Annexion gegen das Völkerrecht verstößt. Auch die USA machen Druck: US-Präsident Donald Trump hat offen gewarnt, Israel würde die Unterstützung der USA verlieren, sollte es das Westjordanland annektieren. US-Außenminister Rubio sagt außerdem, dass solche Schritte Israels die Gaza-Vereinbarungen gefährden könnten. Kurz gesagt: Ohne Einfrieren der Siedlungs- und Annexionspläne gibt es keine stabile Nachkriegsordnung für Gaza.
Unterm Strich: Es gibt gerade erstmals ernsthafte Ansätze für eine politische Neuordnung von Gaza nach dem Krieg – inklusive internationaler Truppen, Übergangsverwaltung und Wiederaufbau. Gleichzeitig droht das ganze Projekt schon wieder zu zerbrechen: angeblich an der Versorgungslage in Gaza, an Misstrauen gegenüber den USA, an der Rolle der Hamas – und an innenpolitischen Entscheidungen in Israel zum Westjordanland, die selbst engste Partner offen kritisieren.
Bild: Symbolbild
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