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Missverständnisse – Wie kleine Dinge große Gräben reißen

Manchmal ist es nur ein Wort. Ein Blick. Ein Satz, der in der falschen Tonlage kommt. Und plötzlich verändert sich etwas. Aus einem vertrauten Miteinander wird Unsicherheit. Aus Nähe wird Distanz. Aus Verbindung wird ein Graben.

Ich erinnere mich an eine Begegnung, die mich tief bewegt hat – weil sie schmerzhaft ehrlich war. Es ist ein paar Jahre her. Ein guter Bekannter schrieb mir, weil er erfahren hatte, dass ich zum Judentum konvertiert bin. Für mich war das ein bedeutender Schritt, ein Weg voller Erkenntnisse, Zweifel, Tiefe und spiritueller Entwicklung. Ich war dankbar, dass er das Thema ansprach – ich hielt ihn für offen, interessiert und reflektiert.

Doch im Laufe des Austauschs merkte ich: Wir waren nicht auf Augenhöhe. Er hatte sich – wie er sagte – über das Judentum informiert. Doch was er mir schrieb, war nicht das, was ich kannte, lebte, liebte. Es waren Vorurteile, Halbwissen, Misstrauen. Vielleicht auch mehr. Es fühlte sich an wie eine Ablehnung meines Weges. Als ob mein jüdischer Glaube für ihn ein Problem darstellte.

Und je mehr wir versuchten, einander zu erklären, desto größer wurde die Kluft. Was ich als Versuch der Aufklärung meinte, kam bei ihm als Angriff an. Was er als neutrale Argumente verstand, fühlte sich für mich wie antisemitische Untertöne an. Die Missverständnisse wuchsen mit jeder Nachricht. Bis es irgendwann zu spät war. Der Kontakt brach ab – und ist bis heute nicht wieder aufgenommen worden.

Wenn der Nebel zwischen uns steht

Missverständnisse sind selten nur Missverständnisse. Sie berühren etwas Tieferes in uns. Oft geht es um Identität, Werte, Weltbilder. Um unser Bedürfnis, gesehen und verstanden zu werden. Und gerade, wenn zwei Menschen sehr unterschiedlich ticken, wird dieses Bedürfnis zur Herausforderung. Denn wir sehen die Welt nicht, wie sie ist – sondern wie wir sind. Und wenn unser Gegenüber anders reagiert, als wir es erwarten, empfinden wir das schnell als Ablehnung.

Manchmal reicht schon ein kurzer Moment der Unachtsamkeit. Ein Nebensatz. Ein nicht beantwortetes „Wie meinst du das?“ Und schon steht zwischen zwei Menschen ein Schatten. Kein handfester Streit. Kein Drama. Nur dieser kleine, stille Abstand, der sich schleichend ausbreitet – wie Nebel im Tal. Das Tückische daran: Je länger dieser Nebel steht, desto schwerer wird es, ihn zu durchbrechen. Weil wir anfangen, zu interpretieren. Wir legen dem anderen Worte in den Mund, die er nie gesagt hat. Wir schreiben ihm Absichten zu, die vielleicht gar nicht da sind. Und wir bauen Mauern, um uns selbst zu schützen – nicht wissend, dass der andere das Gleiche tut.

Was helfen kann, ist ein ehrliches Gespräch. Ein mutiges Nachfragen. Der Satz „Ich denke, wir haben uns missverstanden“ hat schon so manche Beziehung gerettet. Aber dazu braucht es Mut. Und manchmal auch Demut. Die Bereitschaft, nicht recht haben zu müssen. Sondern verstehen zu wollen.

Ein Prüfstein für Verbindung

Vielleicht sind Missverständnisse gar keine Störung, sondern ein Prüfstein. Sie zeigen, wie stabil eine Verbindung ist. Wie bereit wir sind, einander wirklich zuzuhören. Wie viel Vertrauen da ist – oder eben nicht. Und sie können ein Geschenk sein. Denn wer sich traut, Missverständnisse offen anzusprechen, macht einen Schritt auf den anderen zu. Wer lernt, zuzuhören, bevor er urteilt, wächst. Und wer bereit ist, auch unangenehme Gespräche zu führen, öffnet Türen, wo vorher nur Wände waren.

Wenn du selbst gerade in einer Situation bist, in der Missverständnisse Raum bekommen haben – vielleicht hilft dir dieser Artikel, einen neuen Blick darauf zu werfen. Manchmal braucht es nur den einen mutigen Satz. Manchmal reicht es, still zu werden und dem anderen wirklich zuzuhören. Und manchmal ist es auch okay, zu erkennen, dass nicht jeder Kontakt wiederhergestellt werden muss. Aber wenn du das Gefühl hast, es lohnt sich – dann geh den ersten Schritt.

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Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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