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Verletzungen aus der Kindheit – Was wir mit einem Filzstift nicht einfach übermalen können
Neulich bin ich zufällig dem Maler begegnet, der gerade die Wohnung renoviert, in der ich meine ganze Kindheit verbracht habe. Das Haus meiner Eltern ist schon seit einiger Zeit verkauft, die Wohnung ist längst vermietet. Aber als ich hörte, dass dort gerade renoviert wird, war ich neugierig. Und so kam es zu einem kleinen Gespräch, das für mich zu einer inneren Reise wurde. Ich erzählte ihm, wie mein Bruder und ich früher im Flur herumgetobt haben. Wir nannten es „bubbeln“ – Quatsch machen, uns gegenseitig ärgern, ein bisschen raufen, wie Jungs eben sind. Der Flur war voller Einbauschränke – große, helle Flächen. Und eines Tages ist es passiert: Ich kam…
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Morag-Korridor: Wenn andere schweigen, ist es Zeit, Stellung zu beziehen
Der Krieg im Gazastreifen ist nicht vorbei – auch wenn viele in der westlichen Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen könnten. Nachdem sich die Lage für einige Wochen scheinbar beruhigt hatte, hat Israel seine militärischen Operationen wieder intensiviert. Hintergrund ist die anhaltende Bedrohung durch die Hamas, die weiterhin israelische Geiseln festhält und ihre Infrastruktur trotz früherer Rückschläge offenbar wiederaufgebaut hat. Die israelische Regierung hat deshalb entschieden, neue militärische Schwerpunkte zu setzen – darunter die Einrichtung eines sogenannten Sicherheitskorridors im Süden des Gazastreifens. Wie die israelische Nachrichtenplattform Ynetnews berichtet, wurde mit dem sogenannten Morag-Korridor eine strategisch bedeutende Zone geschaffen, die Rafah – die südlichste Stadt Gazas – vom übrigen Gazastreifen abtrennen soll. Ziel…
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Wenn Fürsorge zur Falle wird – und Schuldgefühle uns vom Leben abhalten
Ich habe lange überlegt, wie ich diesen Beitrag beginne. Denn Susis letzte Mail hat mich an etwas erinnert, das ich selbst nur zu gut kenne – diesen tief verankerten Satz in uns: „Wenn ich an mich denke, lasse ich andere im Stich.“Wie oft habe ich Menschen begleitet, die genau daran innerlich zerbrochen sind. Eltern, Pflegende, Menschen mit viel Verantwortung. Sie alle glaubten, sie dürften sich selbst nicht wichtig nehmen, weil sonst etwas – oder jemand – zu kurz kommt.Aber das ist ein Trugschluss. Eine Lebenslüge, die sich oft unbemerkt in unser Denken schleicht, genährt von Erziehung, gesellschaftlichen Erwartungen, alten Mustern. Dabei ist es genau andersherum: Nur wer für sich sorgt,…
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Wie Dein Stolz Dich heimlich von Menschen trennt – und was Du dagegen tun kannst
Es gibt dieses leise Gefühl, das wir alle kennen. Es kommt nicht mit Getöse, sondern mit einem stillen Ziehen im Bauch. Manchmal mischt sich Traurigkeit hinein, manchmal Ärger. Und sehr oft: Schweigen. Es ist das Gefühl, verletzt worden zu sein – und nichts zu sagen. Nicht, weil es egal wäre. Sondern weil etwas in uns sagt: Jetzt bin ich dran. Jetzt soll der andere sich melden. Jetzt reicht’s. Was da in uns spricht, ist unser Stolz. Und der ist nicht grundsätzlich schlecht. Im Gegenteil. Stolz ist ein Gefühl, das uns Würde gibt. Eine innere Haltung, die sagt: Ich bin mir selbst etwas wert. Stolz kann uns Kraft geben, Rückgrat, Haltung.…
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Missverständnisse – Wie kleine Dinge große Gräben reißen
Manchmal ist es nur ein Wort. Ein Blick. Ein Satz, der in der falschen Tonlage kommt. Und plötzlich verändert sich etwas. Aus einem vertrauten Miteinander wird Unsicherheit. Aus Nähe wird Distanz. Aus Verbindung wird ein Graben. Ich erinnere mich an eine Begegnung, die mich tief bewegt hat – weil sie schmerzhaft ehrlich war. Es ist ein paar Jahre her. Ein guter Bekannter schrieb mir, weil er erfahren hatte, dass ich zum Judentum konvertiert bin. Für mich war das ein bedeutender Schritt, ein Weg voller Erkenntnisse, Zweifel, Tiefe und spiritueller Entwicklung. Ich war dankbar, dass er das Thema ansprach – ich hielt ihn für offen, interessiert und reflektiert. Doch im Laufe…
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Wenn Worte Brücken bauen – ein neues Projekt beginnt
Heute möchte ich euch von etwas erzählen, das mir besonders am Herzen liegt. Ein neues Projekt auf meinem Blog, das vielleicht mehr ist als nur eine Serie von Texten. Es geht um Begegnung, um das, was unausgesprochen bleibt, und um den Wunsch, Menschen auf eine ganz stille, unaufdringliche Weise zu berühren. Das Projekt heißt „Briefe an Schimon“. Die erste Serie darin trägt den Titel „Susi schreibt…“. Und vielleicht ist genau das der Anfang von etwas, das sich in viele Richtungen entfalten kann. Alles fing mit einem Gedanken an, der mich schon lange begleitet. Ich habe in vielen Gesprächen festgestellt, dass es Menschen oft schwerfällt, sich Hilfe zu holen. Selbst dann,…
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Wenn das Leben zu viel wird: Eine Mutter schreibt mir einen bewegenden Brief
Ich saß gerade mit einer Tasse Kaffee am Schreibtisch, als ich die Mail von Susi geöffnet habe. Eine völlig unbekannte Frau, die mir offen von ihrem Alltag als alleinerziehende Mutter schreibt – müde, überfordert, suchend. Ihre Worte haben mich sofort erreicht. Sie klingen nicht verzweifelt im dramatischen Sinn, sondern ehrlich, durchdacht, kraftvoll – obwohl es gerade an Kraft mangelt. Ich habe gemerkt: Hier schreibt jemand, der schon viel durchdacht hat, aber im Moment einfach die Luft zum Atmen fehlt.Ich musste nicht lange überlegen. Noch am Vormittag habe ich mich hingesetzt und ihr geantwortet. Jetzt warte ich – gespannt, ob und wann sie sich wieder meldet. Susis Nachricht an mich Betreff:…
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Kindheitserinnerungen: Die Bank vor unserem Haus
Mitten im Lärm und der Geschwindigkeit unserer Zeit gibt es eine Erinnerung, die sich immer wieder in mein Herz schleicht. Keine große Geschichte, kein dramatisches Erlebnis – sondern eine ganz einfache Szene aus meiner Kindheit: Die Bank vor unserem Haus. Sie war nichts Besonderes und doch war sie alles. Ein Stück Holz auf Steinplatten, mehr nicht. Und gleichzeitig ein Ort voller Wärme, Begegnung und echter Verbindung. Diese Bank zog uns magisch an. Wir setzten uns einfach hin, ohne Plan, ohne Absicht. Und plötzlich entstand etwas – Stille, ein Gespräch, ein Lächeln. Der Tag wurde langsamer, die Welt ein bisschen leiser. Es war, als ob dort die Zeit für einen Moment…
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Episode 15: Ein Junge am Ende seiner Kräfte – Hoffnung auf der Landstraße nach Limburg
Der russische Offizier hob die Hand – ein schlichtes Zeichen, doch es wirkte wie ein Befehl an die Welt, endlich wieder zu atmen. Herr Lontke verstand, richtete sich langsam auf. Kein Schuss fiel. Kein Befehl ertönte. Die Gewehre sanken, einer nach dem anderen. Die Männer in Tarnjacken blieben wachsam, aber sie schossen nicht. Schimon beobachtete, wie die Spannung in Emilies Schultern langsam nachließ. Die Soldaten hatten das Erdloch durchsucht – gründlich, mit kalten Blicken, stählernen Händen. Aber sie hatten nichts gefunden. Nicht die Uniform, die der kleine Günter im Wald entdeckt und heimlich unter einen Balken geschoben hatte. Wäre sie entdeckt worden… Schimon wagte den Gedanken nicht zu Ende zu…
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Radikale Haltungen in der Gesellschaft: Zwischen Recht, Gerechtigkeit und Integration
Vielleicht habt ihr euch auch schon mal gefragt, warum ein Gerichtsurteil zwar rechtens sein kann – und sich trotzdem so gar nicht gerecht anfühlt. Genau da liegt der Knackpunkt, über den ich heute sprechen möchte. Es geht um Recht und Gerechtigkeit. Zwei Begriffe, die oft in einem Atemzug genannt werden, aber bei genauerem Hinsehen völlig verschieden sind. Und wenn dann noch kulturelle Vielfalt, Integration und radikale Haltungen dazukommen, wird es richtig komplex. Lasst uns das gemeinsam ein bisschen entwirren. Recht – das ist das Regelwerk, das eine Gesellschaft sich gibt, um das Zusammenleben zu ordnen. Geschrieben in Gesetzen, durchgesetzt von Gerichten, überwacht von Behörden. Es soll Sicherheit schaffen, Verlässlichkeit, klare…