Israel

Die selektive Empörung – Warum das Völkerrecht oft nur gilt, wenn es politisch passt

Angela Merkel hat in einem Interview mit der NOZ etwas gesagt, das bei mir hängen geblieben ist. Ein Satz, so klar und so deutlich, dass ich ihn gleich mehrfach gelesen habe: „Wenn die einen erklären dürfen, sie wollen den Staat Israel auslöschen, muss der Staat Israel sich dagegen wehren können.“

Ich saß da, las diesen Satz nochmal – und spürte, wie viel Wahrheit darin steckt. Ohne Pathos. Ohne Übertreibung. Einfach nur: auf den Punkt. Und genau da beginnt das, was mich seit Jahren umtreibt.

Vielleicht kennt ihr das auch: Man verfolgt die Nachrichten, hört Diskussionen, liest Kommentare – und plötzlich steht da wieder dieses Wort: Völkerrecht. Es wird hervorgeholt, wenn Israel sich verteidigt. Es wird bemüht, wenn man Israel kritisieren möchte. Und es wird fast nie erwähnt, wenn Staaten wie Russland, der Iran oder auch China massiv gegen internationales Recht verstoßen. Warum ist das so?

Ich beobachte schon lange, dass das Völkerrecht zu einem politischen Spielball geworden ist. Es ist kein fester Maßstab mehr, kein universeller Kompass. Stattdessen wirkt es oft wie ein taktischer Joker: Man zieht ihn, wenn es zur eigenen Agenda passt. Und legt ihn weg, wenn er stören würde.

Gerade bei Israel fällt mir das besonders stark auf. Da reicht es manchmal schon, wenn die israelische Armee auf Raketenbeschuss reagiert – und schon hagelt es Vorwürfe: „völkerrechtswidrig“, „unverhältnismäßig“, „Kollektivbestrafung“. Aber dass zuvor israelische Familien stundenlang in Schutzräume rennen mussten? Dass die Angriffe gezielt Zivilisten treffen sollten? Das wird kaum erwähnt oder relativiert.

Und dann schaue ich auf die Weltkarte: Russland greift die Ukraine an – völkerrechtswidrig, ohne jede Provokation. Der Iran unterstützt Terrororganisationen, droht öffentlich mit der Vernichtung Israels und unterdrückt brutal sein eigenes Volk. China betreibt Lager, in denen Minderheiten umerzogen werden sollen. Und trotzdem richten sich die meisten UN-Resolutionen gegen – ja, genau – Israel.

Zwischen 2015 und 2022 richtete sich mehr als die Hälfte aller Resolutionen des UN-Menschenrechtsrats gegen den jüdischen Staat. Mehr als gegen alle anderen Länder der Welt zusammen. Ich finde das absurd. Und ich finde, das darf man auch so nennen.

Es geht hier nicht darum, Israel heiligzusprechen. Auch Israel macht Fehler, trifft fragwürdige Entscheidungen. Aber es geht um die Verhältnismäßigkeit. Um die Frage: Warum wird Israel immer wieder zum Hauptziel internationaler Kritik gemacht, während andere Staaten mit echter Blutspur weitgehend unbehelligt bleiben?

Angela Merkels Satz bringt das in aller Klarheit zum Ausdruck: Wer offen zur Auslöschung eines Staates aufruft, kann sich nicht darauf berufen, dass dieser Staat sich bitteschön völkerrechtlich korrekt verteidigen soll. So funktioniert das nicht.

Ich glaube, wir brauchen wieder ein Völkerrecht, das für alle gilt. Eines, das nicht von politischen Mehrheiten in der UNO abhängig ist. Eines, das seine Würde zurückgewinnt. Und ich glaube auch, dass es an uns ist, genau das einzufordern – laut, klar und konsequent.

Denn sonst verkommt das Recht zur Farce. Und das dürfen wir nicht zulassen.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert