Unsere Welt von morgen

Die stille Verbrennung im Blumentopf: Warum Torf unser Klima anheizt & meine Überlegung zur Blumenerde

Ich bin auf dem Land groß geworden, dort, wo man den Rhythmus der Jahreszeiten nicht nur sieht, sondern tief in den Knochen spürt. Früher, als ich noch meinen eigenen großen Garten hatte, war die Erde für mich einfach da – eine Selbstverständlichkeit unter meinen Stiefeln. Heute, wo sich mein grünes Reich auf meine Terrasse beschränkt und ich mich als Aquaponiker intensiv mit den feinen Kreisläufen von Wasser und Nährstoffen beschäftige, sehe ich das anders. Die Natur hat mich gelehrt, dass alles miteinander verbunden ist. Gerade jetzt, wo der Winter langsam an die Tür klopft, schweifen meine Gedanken schon ins Frühjahr. Viele meiner Kübelpflanzen sind ihren Töpfen entwachsen und müssen demnächst umgetopft werden. Und da stehe ich nun vor der Frage, die wir uns alle stellen müssen: Zu welchem Sack Erde greife ich? Es ist nicht mehr nur eine Frage des Preises oder der Gewohnheit, sondern eine Gewissensentscheidung. Ich habe mir dazu aktuelle Zahlen aus Wiesbaden angesehen, die eine spannende Geschichte von Wandel und Verantwortung erzählen. Es ist faszinierend zu sehen, dass im Jahr 2024 zwar immer noch über drei Viertel der verkauften Blumenerden für uns Hobbygärtner Torf enthielten, aber das Innere dieser Säcke sich radikal wandelt. Der Anteil des Torfs darin ist nämlich drastisch gesunken, auf durchschnittlich nur noch 38 Prozent. Das ist eine stille Revolution in unseren Blumenkästen, ein leiser Abschied von alten Gewohnheiten, während der Profi-Anbau noch etwas zögerlicher ist und aus Sorge um die Qualitätssicherheit noch stärker am Altbewährten festhält.

Wenn die Moore zu atmen beginnen und Geister wecken

Als jemand, der in der Aquaponik ständig darauf achtet, dass biologische Systeme im Gleichgewicht bleiben, fasziniert mich der chemische Prozess, der im Verborgenen abläuft, zutiefst. Um zu begreifen, warum wir den Torf im Moor lassen sollten, müssen wir uns diese Landschaften als riesige Einmachgläser der Erdgeschichte vorstellen. Über Jahrtausende sind dort Pflanzen abgestorben, ins Wasser gefallen und unter Luftabschluss konserviert worden. Der Kohlenstoff, den sie einst aufgenommen hatten, wurde sicher weggeschlossen. Wenn wir nun diesen Torf abbauen, ihn trocknen und in unsere lockere Blumenerde mischen, brechen wir dieses Siegel auf. Wir lassen Luft an ein Material, das seit der Eiszeit ruhte. In diesem Moment beginnt eine Art „kalte Verbrennung“. Winzige Mikroorganismen, die Sauerstoff lieben, stürzen sich auf den Kohlenstoff, fressen ihn regelrecht auf und atmen ihn als CO2 in unsere Atmosphäre aus. Es ist exakt derselbe Prozess, der passiert, wenn Holz verbrennt, nur viel langsamer und ohne sichtbare Flammen. Habt Ihr schon einmal bemerkt, dass die Erde in alten Töpfen mit der Zeit „weniger“ wird, als ob jemand davon genascht hätte? Das ist genau dieser Schwund – die Erde löst sich buchstäblich in Luft auf und entweicht als Klimagas in den Himmel. Für mich auf der Terrasse bedeutet das: Jeder Sack Torferde ist ein Stückchen Klimawandel im Topf.

Der feine Unterschied zwischen Kreislauf und Endstation

Natürlich höre ich oft den Einwand – und den Gedanken hatte ich anfangs auch –, dass doch auch Ersatzstoffe wie Holzfasern oder Kompost verrotten und dabei CO2 freisetzen. Das ist chemisch vollkommen richtig. Doch als Aquaponiker, der in Kreisläufen denkt, sehe ich hier den entscheidenden Unterschied in der Zeit. Wenn Kompost oder Holzfasern in meinen Töpfen zerfallen, geben sie nur das CO2 frei, das die Bäume und Pflanzen erst vor wenigen Jahren aus unserer heutigen Luft aufgenommen haben. Es ist ein schneller, kurzer Kreislauf, ein Nullsummenspiel der Natur, vergleichbar mit einem Girokonto, auf dem das Gehalt eingeht und wieder ausgegeben wird. Beim Torf hingegen plündern wir einen uralten Schatz. Wir setzen Kohlenstoff frei, den die Natur vor zehntausend Jahren sicher im Keller der Erde weggeschlossen hat. Wir holen also „fossiles“ CO2 zurück in unsere Zeit, das dort eigentlich nichts mehr verloren hat. Da Moore nur millimeterweise pro Jahr wachsen, können wir diesen Schaden in menschlichen Zeitmaßstäben nicht mehr reparieren.

Die Verantwortung in unseren Händen und Töpfen

Für mich steht die Entscheidung für das kommende Umtopfen fest. Ich werde bewusst nach Erden suchen, die diesen Kreislauf respektieren, auch wenn das bedeutet, dass ich mich im Gießverhalten vielleicht etwas umstellen muss, da torffreie Erde das Wasser anders speichert. Aber als Aquaponiker weiß ich: Man kann mit der Natur lernen und wachsen. Es ist ein Lernprozess für uns alle, aber es ist ein Weg, der sich lohnt, um die „echte“ Natur da draußen zu bewahren, während wir uns an der Natur auf unserer Terrasse erfreuen.

Wie geht Ihr mit diesem Wandel in Eurem eigenen grünen Reich um, sei es im großen Garten oder auf dem Balkon? Habt Ihr den Umstieg auf torffreie Erde schon gewagt und vielleicht Unterschiede im Wachstum Eurer Lieblinge bemerkt? Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mir Eure Erfahrungen und Gedanken dazu unten in die Kommentare schreibt.

Euer Schimon


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Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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