Kalenderblatt

12.12.1932 – Genfer Hoffnung, der Pakt des Drachen und das Zittern vor dem Zahltag

Wenn ich heute auf diesen Montag im Dezember 1932 blicke, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Es ist einer dieser Tage, an denen die Geschichte kurz den Atem anhält, bevor sie sich in eine dunkle Richtung wendet. Stell Dir vor, Du gehst an diesem Morgen durch das graue, kalte Berlin. Es ist Advent, aber von besinnlicher Vorfreude ist wenig zu spüren. Die Luft riecht nach Braunkohle und Angst, denn der Winter ist hart und weit über fünf Millionen Menschen haben keine Arbeit. Doch wenn Du an diesem 12. Dezember die Zeitung aufschlägst, springt Dir ein Wort entgegen, das wie ein wärmendes Feuer wirkt: Gleichberechtigung.

Es fühlt sich an diesem Tag so an, als würde der letzte Schatten des verlorenen Weltkrieges endlich weichen. In Genf, am Rande der großen Abrüstungskonferenz, ist etwas geschehen, das viele Deutsche kaum noch zu hoffen gewagt hatten. Die Siegermächte – Großbritannien, Frankreich, Italien und die USA – haben Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung die militärische Gleichberechtigung zugesichert. Für uns heute klingt das abstrakt, aber für die Menschen damals war es die Wiederherstellung ihrer nationalen Ehre. Man glaubte, die Fesseln von Versailles seien friedlich gelöst worden. Es ist eine so tragische Ironie, dass ausgerechnet dieser diplomatische Erfolg, der die Republik stabilisieren sollte, nur wenige Wochen später dem kommenden Diktator den Weg ebnen würde, um legal aufzurüsten. Aber an diesem Montag ahnt das niemand. Man klammert sich an die Hoffnung, dass die Vernunft gesiegt hat.

Ein Handschlag aus Angst im fernen Osten

Während Europa also noch trunken ist von dieser diplomatischen Erleichterung, verschieben sich am anderen Ende der Welt die tektonischen Platten der Macht, fast unbemerkt vom deutschen Michel. In Genf passiert nämlich noch etwas Zweites, das für die globale Ordnung fast noch bedeutsamer ist. China und die Sowjetunion geben an diesem 12. Dezember bekannt, dass sie ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen. Es ist ein Paukenschlag, der aus der reinen Not geboren wurde.

Ich finde diesen Moment faszinierend, weil er zeigt, wie sehr die Welt damals schon vernetzt war in ihrer Furcht. Warum taten sie das? Weil im Osten ein aggressives Japan aufstieg, das bereits die Mandschurei besetzt hatte. Der chinesische Drache und der russische Bär reichten sich nicht aus Freundschaft die Hand, sondern um einen Wall gegen die japanische Expansion zu bauen. Es ist, als würden sich die Wolken eines noch viel größeren Gewitters zusammenziehen, während man in Berlin glaubt, das Schlimmste überstanden zu haben. Diese Allianzen, geschmiedet an einem kalten Dezembertag, sind die Vorboten des weltweiten Brandes, der Jahre später folgen sollte.

Das Zittern vor dem großen Zahltag

Doch bleiben wir noch kurz in der beklemmenden Realität dieses Tages. Denn trotz der großen Worte in Genf herrscht in den Finanzzentren des Westens nackte Panik. An diesem 12. Dezember blicken alle nervös auf den Kalender: Nur noch drei Tage bis zum 15. Dezember. Das war der Stichtag für riesige Kriegsschuldenzahlungen an die USA. In Paris und London rauchen die Köpfe, Regierungen wackeln, und das britische Pfund fährt Achterbahn.

Es ist dieser brutale Kontrast, der mich beim Schreiben so bewegt. Auf der diplomatischen Bühne wird von „Sicherheitssystemen“ schwadroniert, aber in der Realität wissen die alten Demokratien nicht einmal, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Und mitten in Deutschland? Da frieren die Menschen, weil sie sich trotz des „Weihnachtsgeschäfts“ kaum Kohlen leisten können. Diese wirtschaftliche Lähmung, dieses Zittern vor dem finanziellen Kollaps, ist der Nährboden, auf dem die Radikalen wachsen. Wir schauen auf den 12. Dezember 1932 und sehen einen Tag der trügerischen Ruhe, einen Tag, an dem die Menschheit glaubte, eine Lösung gefunden zu haben, während sie eigentlich nur Anlauf nahm für den Sprung in den Abgrund.

Mich beschäftigt diese Zeit sehr, weil sie zeigt, wie schmal der Grat zwischen Hoffnung und Katastrophe sein kann. Wie empfindest Du das, wenn Du von solchen Tagen liest, an denen das Schicksal der Welt auf Messers Schneide stand, ohne dass die Menschen es wussten? Schreib mir Deine Gedanken dazu gerne unten in die Kommentare.

Euer Schimon


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Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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