21.12.1932 – Die karge Not der Winterhilfe, der tragische Tod im Kohleschacht und ein entlarvendes Versteck im SA-Heim
An diesem Mittwochmorgen im Dezember 1932 liegt eine beißende Kälte über dem Land, die sich wie ein schweres Tuch auf die Seele legt. Während wir uns in unseren Stuben auf das Weihnachtsfest vorbereiten, zeigt uns der Blick in die Zeitungen eine Welt, die an ihren eigenen Widersprüchen fast zerbricht. In Berlin tagt der Ältestenrat des Reichstages, um über das zu beraten, was die Regierung Schleicher stolz als Winterhilfe bezeichnet. Doch wenn du genauer hinsiehst, offenbart sich die bittere Ironie dieser Maßnahmen. Ganze zehn Millionen Mark sollen für die Hungernden bereitgestellt werden, was für eine betroffene Familie gerade einmal einen Betrag von etwa 1,80 Reichsmark im Monat bedeutet. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, während die Preise für Fleisch und Kohle nur minimal gesenkt werden, was die tiefe Not kaum lindert. Wie verzweifelt die Lage wirklich ist, zeigt eine Geschichte aus der Waldenburger Gegend, die mich zutiefst erschüttert hat. Ein kleines Mädchen wird zum Bäcker geschickt, um Brot zu kaufen, doch es fehlen ihr lächerliche zwei Pfennig am Preis. Anstatt Mitleid zu zeigen, verlangt der Bäcker ein Pfand und das Kind muss seine gerade erst neu besohlten Schuhe dort lassen, um das tägliche Brot mit nach Hause nehmen zu dürfen. Diese soziale Kälte ist es, die mich heute so nachdenklich stimmt, denn sie wiegt oft schwerer als der Frost draußen vor der Tür.
Wenn die Verzweiflung auf den Straßen und in den Schächten explodiert
In den Bergbaugebieten Schlesiens brennt die Luft, auch wenn die Halden vor Frost klirren. In Laasan bricht der Bergarbeiter Felix Meiprich mitten in seiner Nachtschicht tot zusammen. Er ist nicht einfach nur gestorben, er ist am Hungerlohn und dem ausbeuterischen Krümpersystem zerbrochen, das den Menschen die letzte Kraft raubt. Sein Tod wirkt wie ein Fanal für seine Kameraden, die sich nicht länger mit leeren Versprechungen abspeisen lassen wollen. In Hindenburg sammeln sich zur gleichen Zeit etwa tausend Erwerbslose vor dem Wohlfahrtsamt. Die Hoffnung auf Hilfe schlägt schnell in Zorn um, als der Magistrat ihre Forderungen ablehnt. Die Polizei geht mit einer Härte vor, die uns erschrecken muss: Gummiknüppel und gezogene Pistolen werden gegen Menschen eingesetzt, die lediglich nach Arbeit und Brot schreien. Ein Polizeihauptmann feuert seine Männer sogar mit den Worten an, sie sollten zuschlagen, denn wer noch schreien könne, habe keinen Hunger. Es ist eine Zeit, in der die Würde des Menschen auf den Fluren der Ämter und in den dunklen Schächten unter Tage mit Füßen getreten wird, während die politischen Lager sich in erbitterten Kämpfen um Amnestien und Notverordnungen verlieren.
Ein rissiges Weltbild und dunkle Funde im Schutze der Uniform
Doch nicht nur die Armut zeigt ihr hässliches Gesicht, auch hinter den Kulissen der politischen Bewegungen tun sich Abgründe auf. In Volmarstein führt die Polizei eine überraschende Durchsuchung in einem SA-Heim durch, nachdem Gerüchte über Diebestouren laut wurden. Was sie dort finden, ist bezeichnend: Unter einem Kopfkissen liegt eine geladene Pistole und die Insassen gestehen schließlich mehrere Einbrüche und sogar geplante Überfälle. Es ist ein erschreckender Einblick in eine Moral, die sich nach außen hin oft so ordnungsliebend gibt. Währenddessen blickt die Welt mit Sorge auf den Pazifik, wo Japan und die USA große Flottenmanöver vorbereiten, die fast wie eine Generalprobe für einen kommenden Krieg wirken. In den USA selbst wütet eine schwere Grippewelle, die allein in einer Woche über achthundert Todesopfer fordert. Wenn ich mir diese Nachrichten von damals durchlese, frage ich mich, wie die Menschen diese Last der Ungewissheit überhaupt ertragen konnten. Es gab zwar Lichtblicke wie den neuen Schnelltriebwagen zwischen Berlin und Hamburg, der in Rekordzeit seine Fahrten absolvierte, doch für die meisten blieb das Leben ein harter Kampf gegen den Hunger und die soziale Kälte. Was glaubst du, wenn du diese Berichte hörst: War die staatliche Winterhilfe damals eine ernstgemeinte Rettung oder nur ein verzweifelter Versuch, den wachsenden Zorn der Massen kurz vor dem Weihnachtsfest im Zaum zu halten?
Euer Schimon
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