Emotionen begleiten uns täglich. Sie können uns antreiben, motivieren und zu Höchstleistungen bringen – oder uns lähmen, verunsichern und Entscheidungen erschweren. Besonders in Krisensituationen spielen sie eine entscheidende Rolle. Emotionale Resilienz bedeutet, die eigene Gefühlswelt bewusst zu steuern und sich nicht von Angst, Wut oder Trauer überwältigen zu lassen. Wer diese Fähigkeit meistert, kann in Extremsituationen einen klaren Kopf bewahren und auch in schwierigen Zeiten souverän handeln.
Wie Emotionen unser Überleben beeinflussen
Emotionen sind überlebenswichtig. Angst warnt uns vor Gefahren, Wut gibt uns Energie zur Verteidigung, Trauer hilft uns, Verluste zu verarbeiten. Doch wenn diese Gefühle überhandnehmen oder falsch kanalisiert werden, können sie auch zum Verhängnis werden. Menschen, die in Panik geraten, treffen impulsive, oft fatale Entscheidungen. Wer hingegen seine Emotionen kontrolliert, kann auch in schwierigen Momenten gezielt handeln.
Ein eindrucksvolles Beispiel für den bewussten Umgang mit Emotionen erlebte ich während meines Einzelkämpfer-Lehrgangs in Breisach. Ich war ein halbes Jahr lang intensiv darauf vorbereitet worden und dachte, dass ich bestens gerüstet sei. Doch als der Lehrgang begann, merkte ich schnell, dass nichts mich auf die Härte der Ausbildung vorbereitet hatte. Besonders die Nahkampf- und Gefangenen-Ausbildung stellten mich auf die Probe. Die Ausbilder nutzten Methoden, die innerhalb der normalen Bundeswehr-Ausbildung niemals zugelassen worden wären. Gewinner und Verlierer wurden gezielt in verschiedene Rollen gedrängt, wobei Verlierer mit harten Strafen rechnen mussten. Die Gewinner mussten – oder besser gesagt durften – über die am Boden liegenden Verlierer laufen oder sie über steinige Böden schleifen. Ziel war es, Aggression aufzubauen. Diese Aggression wurde zum Motor, der uns in diesen Momenten mehr Kraft und Kampfgeist verlieh, als wir für möglich hielten.
Diese Erfahrung lehrte mich, dass Emotionen eine unbändige Kraft sein können, wenn sie richtig gelenkt werden. Aber sie können auch destruktiv sein. Wer sich von seinen Gefühlen steuern lässt, anstatt sie bewusst einzusetzen, verliert die Kontrolle über sich selbst.
Akzeptanz statt Widerstand – Die Kontrolle über Emotionen gewinnen
Viele Menschen neigen dazu, gegen ihre Emotionen anzukämpfen. Sie versuchen, Angst zu unterdrücken oder Wut zu verdrängen. Doch genau das ist der falsche Weg. Emotionale Resilienz bedeutet nicht, keine Gefühle zu haben, sondern sie anzunehmen, zu verstehen und gezielt einzusetzen. Angst beispielsweise ist eine natürliche Reaktion auf Bedrohungen. Sie darf uns aber nicht lähmen, sondern muss in klare Handlungsstrategien umgewandelt werden. Wut kann destruktiv sein, aber auch ein mächtiger Antrieb, um sich zu behaupten oder Veränderungen herbeizuführen. Trauer kann uns den Boden unter den Füßen wegreißen, aber auch eine Chance sein, unsere Prioritäten neu zu ordnen und unsere Kräfte zu sammeln.
In meinen Survivalkursen habe ich oft beobachtet, wie unterschiedlich Menschen in Krisensituationen reagieren. Ich stellte meinen Teilnehmern die Frage: „Was würdet ihr als Erstes tun, wenn ihr euch in einer gefährlichen Lage befindet?“ Die Antworten reichten von Nahrungssuche über Feuer machen bis hin zum Bau eines Unterschlupfs. Doch die richtige Antwort war immer: Zuerst tief durchatmen. Nur wer sich selbst beruhigt, kann eine rationale Entscheidung treffen. Ich brachte meinen Teilnehmern bei, nach dem Muster „Zuerst, danach, zuletzt“ zu handeln. Erst wenn man seine Emotionen reguliert hat, kann man gezielt priorisieren und effizient handeln. Dieses Prinzip gilt nicht nur für akute Überlebenssituationen, sondern auch für langfristige Krisen.
Strategien zur emotionalen Stabilisierung in Krisensituationen
Emotionale Resilienz lässt sich trainieren. Es geht darum, Methoden zu entwickeln, um in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben und die Kontrolle zu behalten. Eine bewährte Strategie ist das bewusste Durchatmen. Wer in einer angespannten Situation tief in den Bauch atmet, signalisiert dem Körper, dass keine unmittelbare Gefahr besteht, und reduziert damit Stressreaktionen. Ebenso hilfreich ist es, sich bewusst zu machen, welche Krisen man in der Vergangenheit bereits bewältigt hat. Wer sich an seine eigene Widerstandskraft erinnert, sammelt neuen Mut und sieht sich selbst als handlungsfähig. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Einholen von Feedback. Während meiner Vorbereitung auf den Commando-Lehrgang bemerkte ich selbst nicht, dass ich emotionaler und aggressiver wurde. Erst meine Frau und enge Bekannte machten mich darauf aufmerksam. Dieses externe Feedback half mir, mich selbst besser einzuschätzen und meine Emotionen bewusster zu steuern.
Emotionale Resilienz bedeutet nicht, Gefühle zu unterdrücken, sondern sie aktiv zu nutzen. Sie ist die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen, gezielt Kraft aus Emotionen zu schöpfen und in kritischen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren. Wer diese Kunst beherrscht, wird nicht nur in Extremsituationen belastbarer, sondern auch im Alltag souveräner.
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