Globaler Sojaboom, die ökologische Wahrheit und innovative Wege im Weizenanbau
In diesen Tagen habe ich mich intensiv mit den neuesten Zahlen zur deutschen Landwirtschaft beschäftigt und bin dabei über eine Statistik gestolpert, die mich gleichermaßen beeindruckt und nachdenklich gestimmt hat. Es geht um die Sojabohne, eine Frucht, die wie kaum eine andere für die globalen Verflechtungen unserer Ernährung steht. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland stolze 131.800 Tonnen Sojabohnen geerntet. Das klingt im ersten Moment nach einer gewaltigen Menge, besonders wenn man bedenkt, dass dies fast das Dreifache dessen ist, was wir noch im Jahr 2016 geerntet haben, als der Anbau erstmals statistisch erfasst wurde. Wenn ich jedoch den Blick weite und auf die globale Ebene schaue, wird mir fast schwindelig vor Demut. Allein in Brasilien, dem derzeitigen Spitzenreiter der Weltproduktion, wurden 169 Millionen Tonnen geerntet. Wenn wir die USA und Argentinien hinzunehmen, stellen diese drei Länder zusammen 80 Prozent der Welternte von knapp 421 Millionen Tonnen. Die gesamte Europäische Union kommt gerade einmal auf einen Anteil von 0,7 Prozent an der Weltproduktion, wobei Deutschland innerhalb der EU auf Rang acht liegt. Dieser enorme Kontrast zwischen unserem heimischen Wachstum und der globalen Gigantomanie zeigt mir deutlich, wie sehr wir in ein weltweites System eingebunden sind, das von einem unersättlichen Hunger nach Protein und Energie angetrieben wird. Der Bedarf an Soja ist nicht etwa gestiegen, weil wir plötzlich alle so viel mehr Tofu essen, sondern weil Soja zum unsichtbaren Motor der modernen Fleischindustrie und sogar der Mobilität geworden ist.
Der verborgene Hunger der Weltmärkte und das Dilemma der Herkunft
Wenn Du Dich fragst, warum der Bedarf an dieser kleinen Bohne so explodiert ist, dann führt kein Weg an der globalen Tierhaltung vorbei. Etwa 80 Prozent der weltweiten Sojaernte landen in den Futtertrögen der industriellen Mast. Soja ist aufgrund seines extrem hohen Proteingehalts und seines idealen Aminosäurenprofils das Rückgrat der Schweine- und Geflügelmast geworden. Besonders in Schwellenländern wie China ist mit dem steigenden Wohlstand der Hunger auf Fleisch so massiv gewachsen, dass das Land heute fast ein Viertel der Weltproduktion importiert. Doch es ist nicht nur das Futter, das den Markt antreibt. In den USA beispielsweise werden fast 80 Prozent des Biodiesels aus Sojaöl gewonnen. Soja steckt in unserer Schokolade als Lecithin, in unserer Margarine und sogar in Farben und Lacken. Dieser immense Bedarf führt uns direkt zu dem Bild, das wir alle im Kopf haben, wenn wir an Soja denken: die brennenden Regenwälder Südamerikas. Es ist schmerzlich, aber wahr, dass die Rodung des Tropenwaldes kein Problem der Vergangenheit ist. Zwar schützt ein Moratorium Teile des Amazonas, doch der Druck hat sich einfach in andere Regionen wie die Cerrado-Savanne verlagert, eines der artenreichsten Gebiete unserer Erde, das nun unter dem Pflug verschwindet. Hier findet jedoch eine fatale Schuldumkehr in der öffentlichen Wahrnehmung statt, die wir unbedingt korrigieren müssen. Wer Soja direkt konsumiert, etwa in Form von Tofu oder Sojadrinks, trägt in der Regel die geringste Verantwortung für diese Zerstörung. Das Soja für den menschlichen Verzehr im europäischen Supermarkt stammt meist aus regionalem, gentechnikfreiem Anbau in Europa oder Kanada. Der eigentliche ökologische Fußabdruck entsteht durch den sogenannten Veredelungsverlust in der Fleischproduktion. Wenn wir sieben bis zwölf Kilogramm pflanzliches Futter in ein Tier stecken müssen, um nur ein Kilogramm Fleisch zu erhalten, ist das eine ineffiziente Nutzung unserer Ressourcen. Der direkte Verzehr der Bohne ist daher ökologisch betrachtet um Welten sinnvoller, da wir den Umweg über das Tier und die damit verbundenen Energieverluste vermeiden.
Innovative Wege zwischen heimischem Soja und der Kraft des Weizengrases
In meiner täglichen Arbeit als Aquaponiker und Blogger, aber auch in unserem Verein Zukunft Landwirtschaft e.V., suchen wir ständig nach Wegen, wie wir diese globalen Abhängigkeiten durch lokale Intelligenz ersetzen können. Dass der Sojaanbau bei uns in Deutschland so boomt, ist ein wunderbares Zeichen, denn als Leguminose ist die Bohne ein Segen für unsere Böden, da sie Stickstoff aus der Luft bindet und so Kunstdünger spart. Doch wir müssen auch den Blick auf jene Früchte werfen, die wir bereits im Überfluss haben, wie zum Beispiel den Weizen, dessen Preis auf dem Weltmarkt oft so tief liegt, dass es für viele Landwirte kaum noch rentabel ist. Hier setzen wir mit unserer neuen Produktionsanlage für Weizengras an. Wir nehmen den preiswerten Weizen und veredeln ihn durch hydroponischen Anbau in nur elf Tagen zu einem hochwertigen Frischfutter. Aus einem einzigen Kilogramm Weizensaatgut gewinnen wir so zehn Kilogramm grünes Futter. Man kann sich diesen Prozess wie das Aufpoppen von Mais zu Popcorn vorstellen. Das Volumen vergrößert sich enorm durch die Aufnahme von Wasser und die Bildung von Biomasse, wodurch die Nährstoffe für das Tier viel zugänglicher werden. Während Soja der unangefochtene Protein-Hammer bleibt, punktet das Weizengras mit einer Rohprotein-Konzentration von etwa 19 Prozent in der Trockenmasse und einer phänomenalen Verdaulichkeit von 90 Prozent. Zudem ist es reich an Vitaminen und Enzymen, die die Vitalität der Tiere steigern. Im direkten Vergleich ist Soja für den reinen Muskelaufbau unersetzlich, doch das Weizengras bietet uns eine ökologische Chance, regionalen Weizen aufzuwerten und die Tiergesundheit so zu verbessern, dass wir weniger Zusatzstoffe benötigen. Es ist eine Form von Upcycling, die zeigt, dass wir weg müssen von der reinen Mengenbetrachtung hin zu einem Denken in Kreisläufen und Effizienz. Mich beschäftigt dieser Wandel sehr, denn er zeigt, dass Landwirte die Lösungen für die großen ökologischen Fragen oft schon auf dem eigenen Hof haben, wenn sie bereit sind, neue Wege zu gehen. Mich würde brennend interessieren, wie Du diese Entwicklung siehst: Glaubst Du, dass wir durch solche regionalen Innovationen wie den heimischen Sojaanbau oder das Weizengras-Projekt wirklich einen Unterschied für das globale Klima machen können, oder fühlt sich das für Dich angesichts der Zahlen aus Brasilien eher wie ein aussichtsloser Kampf an? Schreibt mir Eure Gedanken dazu gerne in die Kommentare, denn ich bin überzeugt, dass jede Veränderung bei uns selbst und in unserem direkten Umfeld beginnen muss, um eine globale Wirkung zu entfalten.
Euer Schimon
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