Stark durchs Leben

Alarmierende Entwicklung: Burnout und Depression in der Landwirtschaft

Schon seit Jahren treibt mich ein Thema um, das in unserer Gesellschaft oft im Verborgenen bleibt, obwohl es uns alle indirekt betrifft. Wenn wir am Wochenende aufs Land fahren, bewundern wir die gelben Rapsfelder, freuen uns über die Kühe auf der Weide und kaufen unser Gemüse im Hofladen. Es wirkt idyllisch, ein Stück heile Welt. Doch dieser Schein trügt oft gewaltig, denn hinter den Hoftoren spielt sich in vielen Familien ein Drama ab, über das niemand gerne spricht. Viele unserer Landwirte leiden unter Burnout, und die Suizidrate in dieser Berufsgruppe ist alarmierend hoch. Ich habe mich in letzter Zeit intensiv damit auseinandergesetzt, recherchiert und möchte heute darüber schreiben, weil Wegschauen für mich keine Option mehr ist.

Viele kennen diese Momente, in denen einfach alles zu viel wird. Für die meisten Menschen sind dies glücklicherweise nur temporäre Phasen, und nach ein paar Tagen findet man zurück in das gewohnt positive Lebensgefühl. Doch nicht alle kommen aus diesen dunklen Tagen wieder heraus. Oftmals völlig unbemerkt vom familiären Umfeld und den Berufskollegen werden die kreisenden Gedanken immer mehr und immer trostloser. Gerade Landwirte reden selten darüber, denn in dieser Branche ist das Sprechen über Gefühle und Emotionen – insbesondere über negative – oft ein Tabu. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Angst vor Statusverlust und Ausgrenzung im Dorf, wo jeder jeden kennt.

Wie ernst die Lage ist, zeigt eine Initiative des Bauernverbands Schleswig-Holstein, der am 5. November 2025 zu einem Informationsabend auf den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Röttger in Lübeck eingeladen hatte. Das Thema „Überforderung, Burnout, Suizid in der Landwirtschaft“ zog rund 60 Gäste an, was allein schon zeigt, wie groß der Gesprächsbedarf ist. Die beiden Referenten Jürgen Rosummek, Fallkoordinator bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), und die Arbeits- und Präventivmedizinerin Dr. Magdalena Peinecke präsentierten das anspruchsvolle Thema einfühlsam und praxisnah.

Ein toxischer Mix aus Druck und Bürokratie

Die Gründe für diese Überforderung und die daraus resultierenden Depressionen sind mannigfaltig. Häufig ist es eine toxische Mischung aus finanziellen, physischen und sozialen Stressfaktoren, die die Landwirte belasten. Die aktuelle Marktlage im Ackerbau mit fortwährend niedrigen Preisen für das Getreide der Ernte 2025 verschärft die Situation vieler Betriebsleiter massiv. Doch auch die Aussichten in der Milchviehhaltung und der Schweineproduktion sind im Moment belastend. Der Druck auf die Landwirte, hervorgerufen durch niedrige Erträge bei gleichzeitig steigenden Kosten für Betriebsmittel, ist in diesem Jahr besonders groß.

Hinzu kommen eine enorme Arbeitsbelastung und völlig unkalkulierbare Risikofaktoren wie Wetterextreme, die zu Ernteeinbußen führen können. Sorgen um die Betriebsnachfolge und Schulden verschärfen diesen Teufelskreis ebenso wie die immer wieder aufflammenden gesellschaftlichen Diskussionen über Tierwohl, Natur- und Klimaschutz sowie politische Themen wie Mindestlohn und Moorvernässung. Der Landwirt Thomas Schröder, Mitglied im Vorstand der SVLFG, betonte dabei, dass viele Betriebsleiter jenseits ihrer Belastungsgrenze sind. Eine überbordende Bürokratie mit zum Teil nicht nachvollziehbaren Dokumentationsverpflichtungen raubt vielen Landwirten schlichtweg die Freude am Job.

Warnsignale erkennen und Hilfe annehmen

Dr. Magdalena Peinecke rät dringend dazu, erste körperliche und seelische Anzeichen unbedingt ernst zu nehmen. Symptome wie Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, unerklärliche Rückenschmerzen, Bluthochdruck und Tinnitus können Warnsignale des Körpers sein, die nicht ignoriert werden dürfen.

Doch welche Möglichkeiten gibt es für Landwirte, einen Weg aus dieser Situation zu finden? Jürgen Rosummek rät Betroffenen, bei Anzeichen wie fehlendem Antrieb und andauernden Sorgen den Mut zu fassen und aktiv zu werden. Der Besuch beim Hausarzt kann ein erster, wichtiger Schritt sein, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Unterstützungspartnern. Speziell hierfür hat die SVLFG eine Krisenhotline eingerichtet, die 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche für jeden erreichbar ist. Unter der Telefonnummer 0561 785 10101 wird jedem Anrufer Hilfe angeboten – anonym und kompetent.

Am Ende appellierte Thomas Schröder auch an das familiäre und befreundete Umfeld, wachsam zu sein. Wenn wir wieder ein bisschen mehr aufeinander achtgeben, lassen sich dunkle Tage für viele Menschen leichter überstehen und die Abwärtsspirale wird sofort ausgebremst. Das gilt für die Familien auf den Höfen, aber auch für uns als Gesellschaft. Ein faires Miteinander und Respekt für die harte Arbeit unserer Landwirte sind der erste Schritt zur Besserung.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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