Israel

Israel – Das Erbe des Herodes, die Anerkennung von San Remo und das Recht auf Indigenität

Es gibt Momente, in denen ich mit einer tiefen Fassungslosigkeit auf die aktuelle Weltlage blicke und mich frage, wie es möglich ist, dass eine so tief verwurzelte Geschichte in der öffentlichen Wahrnehmung so systematisch und geschichtsvergessen umgedeutet werden kann. Wenn ich die hitzigen Diskussionen in den sozialen Medien oder in den Kommentarspalten der großen Zeitungen verfolge, begegnet mir immer wieder das Narrativ vom „siedlerkolonialistischen Projekt“. Es wird so getan, als sei die Errichtung des Staates Israel ein willkürlicher Akt europäischer Mächte gewesen, vergleichbar mit dem britischen Empire in Indien oder den französischen Bestrebungen in Nordafrika. Doch wer sich die Mühe macht, wirklich hinter die Fassade der Schlagworte zu blicken und die historischen Fakten unvoreingenommen zu prüfen, der erkennt schnell, dass diese Kategorisierung einem grundlegenden Irrtum unterliegt. Es geht hier nicht um die Landnahme durch Fremde, sondern um die Rückkehr eines Volkes, dessen Verbindung zu diesem spezifischen Boden niemals wirklich abgerissen ist. Diese Verbindung ist nicht nur eine religiöse Sehnsucht, sondern eine völkerrechtliche und historische Realität, die über zwei Jahrtausende hinweg Bestand hatte, auch wenn sie oft durch Gewalt und Vertreibung unterdrückt wurde. Es ist an der Zeit, dass wir uns wieder auf die Fakten besinnen, die zeigen, dass Israel die rechtmäßige Heimat ist und bleibt, und dass dieser Anspruch niemals erloschen ist.

Die ununterbrochene Kette der Präsenz und das Rechtsprinzip gegen die Verschweigung

Um die heutige Situation zu verstehen, müssen wir weit zurückblicken, bis in die Zeit, als die römischen Legionen versuchten, die jüdische Souveränität endgültig zu brechen. Oft wird die Zerstörung des Zweiten Tempels als der Punkt dargestellt, an dem das jüdische Volk seine Heimat verlor. Doch die Rechtsphilosophie bietet hier eine wesentlich fundiertere Sichtweise an, die schon der große Hugo Grotius, der Vater des modernen Völkerrechts, im 17. Jahrhundert formulierte. Grotius argumentierte, dass der Verlust eines Rechts durch Zeitablauf – die sogenannte Präskription – auf der mutmaßlichen Aufgabe, der Derelictio, basiert. Ein Anspruch erlischt nur dann, wenn der ursprüngliche Eigentümer das Interesse verliert oder den Willen zur Rückkehr aufgibt. Doch das jüdische Volk hat diesen Willen niemals aufgegeben. In jedem täglichen Gebet, in jedem Ritus und durch die ununterbrochene physische Präsenz der jüdischen Gemeinden in Städten wie Hebron, Safed und Jerusalem wurde dieser Anspruch aktiv aufrechterhalten. Es gab keine freiwillige Preisgabe des Landes, sondern eine gewaltsame Verdrängung durch wechselnde Imperien. Da die Juden ihren Titel auf das Land niemals vernachlässigt haben, konnte rechtlich gesehen keine „Verschweigung“ eintreten. Der sogenannte Alte Jischuw blieb über die Jahrhunderte der rechtliche Anker, der bewies, dass das Land niemals herrenlos wurde, sondern stets das spirituelle und physische Zentrum einer Nation blieb, die lediglich durch fremde Gewalt an der Ausübung ihrer Souveränität gehindert wurde.

San Remo und die völkerrechtliche Anerkennung der Wiedererrichtung

Ein zentraler Meilenstein, der in der heutigen Debatte fast schon sträflich vernachlässigt wird, ist das Mandat für Palästina von 1922. Hier greift die Argumentation des bedeutenden Völkerrechtlers Lassa Oppenheim, der den Erwerb von Rechten durch historische Kontinuität beschrieb. In San Remo und später im Völkerbundmandat hat die internationale Gemeinschaft nicht etwa ein neues Recht für das jüdische Volk erfunden, sondern ein bereits bestehendes Recht feierlich anerkannt. Die Präambel des Mandatstextes verweist explizit auf die historische Verbindung und die Gründe für die „Wiedererrichtung“ – im englischen Original „reconstituting“ – seiner nationalen Heimstätte. Dieses eine Wort, reconstituting, ist juristisch von immenser Bedeutung. Es bedeutet, dass die Weltmächte anerkannten, dass hier etwas wiederhergestellt wurde, das bereits rechtmäßig existiert hatte. Es war die völkerrechtliche Bestätigung, dass der jüdische Anspruch über die Jahrhunderte der Zerstreuung hinweg gültig geblieben war. Dieser Status wurde später durch Artikel 80 der UN-Charta geschützt, die sogenannte Palästina-Klausel, die sicherstellt, dass die unter dem Mandat gewährten Rechte auch nach 1945 ihre volle Gültigkeit behielten. Wenn heute von einer „illegalen Besatzung“ gesprochen wird, wird oft ignoriert, dass Israel in Gebiete wie Judäa und Samaria zurückgekehrt ist, auf die es durch diese jahrtausendealte Kette von Rechtstiteln einen legitimen Anspruch besitzt, während eine andere legale Souveränität dort nie existierte.

Dekolonisation als Antwort auf das koloniale Zerrbild der Gegenwart

Wenn man heute den Begriff des Siedlerkolonialismus auf Israel anwendet, übersieht man die wichtigste Voraussetzung für jede Form von Kolonialismus: das Vorhandensein eines Mutterlandes. Lassa Oppenheim und andere Rechtsgelehrte machten deutlich, dass Kolonialismus die Ausweitung der Macht einer Metropole auf fremdes Gebiet ist. Doch wer war das Mutterland der jüdischen Flüchtlinge, die nach der Schoa auf baufälligen Schiffen die Küste erreichten? Sie hatten keine Metropole im Rücken, sie waren keine Werkzeuge eines Imperiums. Sie waren Überlebende, die an den einzigen Ort der Welt zurückkehrten, zu dem sie eine ungebrochene historische Verbindung hatten. Zudem wird oft vergessen, dass ein Großteil der Israelis heute Nachfahren jener 860.000 Juden sind, die nach 1948 aus den arabischen Ländern und dem Iran vertrieben wurden. Diese Menschen kehrten nicht als koloniale Eroberer zurück, sondern als Teil eines indigenen Volkes, das seine Selbstbestimmung nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft wiedererlangte. In dieser Hinsicht ist die Entstehung Israels eigentlich einer der bedeutendsten Akte der Dekolonisation in der modernen Geschichte – die Befreiung eines Landes von imperialen Mächten durch sein ursprüngliches Volk. Ich frage Dich daher ganz persönlich: Wie können wir es schaffen, diese komplexen juristischen und historischen Wahrheiten wieder in das Bewusstsein der Menschen zu rücken? Hast Du das Gefühl, dass solche Fakten in Deinem Umfeld überhaupt noch gehört werden, oder ist die emotionale Mauer der Vorurteile bereits zu hoch geworden? Ich würde mich sehr freuen, Deine Gedanken dazu in den Kommentaren zu lesen, denn der Dialog über diese Wahrheiten ist heute wichtiger denn je, um die Hoheit über unsere eigene Geschichte zurückzugewinnen.

Euer Schimon


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Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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