
Aquaponik – Wie wir unsere Städte morgen ernähren könnten
Neulich stand ich wieder an einem dieser stillgelegten Gebäude in der Innenstadt. Verlassene Fenster, verblasste Werbung, Unkraut im Pflaster. Früher war hier mal ein Supermarkt – heute wirkt der Ort wie ein Mahnmal. Und während ich so dort stand, kam mir ein Gedanke: Was wäre, wenn man genau hier Lebensmittel produzieren könnte? Frisch, gesund und direkt für die Menschen vor Ort? Nicht als nostalgisches Projekt, sondern als ernsthafte Antwort auf eine Frage, die uns alle betrifft: Wie ernähren wir uns in Zukunft – in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist?
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Aquaponik. Das Prinzip ist faszinierend: Fische und Pflanzen wachsen in einem geschlossenen Kreislaufsystem gemeinsam auf. Was die Fische ausscheiden, dient den Pflanzen als Dünger. Die Pflanzen reinigen im Gegenzug das Wasser, das dann wieder zu den Fischen zurückfließt. Kein Boden, kaum Wasserverbrauch, und das alles auf engstem Raum – mitten in der Stadt, wenn man will.
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In Krisenzeiten zeigt sich, was Systeme wirklich leisten
Je mehr ich mich mit der Zukunft der Landwirtschaft beschäftige, desto klarer wird mir: Aquaponik ist mehr als nur eine technische Spielerei. In Zeiten wie diesen – mit Kriegen, Klimawandel, Dürren, steigenden Preisen und globalen Lieferkettenproblemen – braucht es neue Antworten. Und Aquaponik ist genau das: eine solche Antwort.
Denn diese Systeme sind unabhängig. Sie brauchen keine fruchtbaren Böden, keine riesigen Wasserressourcen und keine chemischen Dünger. Sie produzieren ganzjährig – selbst dann, wenn draußen Trockenheit herrscht oder Stürme über das Land fegen. Und das Beste: Sie holen die Produktion dorthin zurück, wo die Menschen leben. Auf Dächer. In ehemalige Lagerhallen. In die Städte. Dorthin, wo bislang nur konsumiert, aber nicht mehr produziert wurde.
In Ländern mit Wasserknappheit – wie Israel, Jordanien oder Teilen Afrikas – ist Aquaponik längst mehr als nur eine Idee. Dort rettet sie Existenzen. Und selbst bei uns, in den industrialisierten Staaten, könnte sie ein Puzzleteil sein: für mehr Ernährungssouveränität, für regionale Kreisläufe, für neue Jobs und für ein Umdenken in der Landwirtschaft. Nicht, um den Bauern Konkurrenz zu machen – sondern um sie zu ergänzen. Um urbane Räume wieder produktiv zu machen.
Die Kreislaufwirtschaft ist dabei kein theoretisches Konzept, sondern gelebte Realität. Statt Abfälle zu produzieren, wird jeder Bestandteil weiterverwertet. Die CO₂-Emissionen sinken, weil die Wege kürzer sind. Die Produkte sind pestizidfrei, nährstoffreich und oft von besserer Qualität als das, was aus konventionellen Anbausystemen stammt. Und wer einmal frischen Salat aus einem Aquaponik-System gegessen hat, weiß: Das schmeckt nicht nur besser – das fühlt sich auch richtiger an.
Warum wir heute beginnen sollten
Ich glaube, wir stehen an einem Wendepunkt. Die alten Systeme stoßen an ihre Grenzen. Die klassischen landwirtschaftlichen Flächen schrumpfen, das Klima verändert sich schneller, als wir reagieren können, und immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Dort wächst der Bedarf an frischer, gesunder Nahrung – doch der Zugang dazu wird schwieriger.
Aquaponik kann ein Teil der Lösung sein. Kein Allheilmittel. Aber ein starker Baustein für eine resilientere Zukunft. Eine Zukunft, in der Städte nicht nur verbrauchen, sondern wieder produzieren. In der Technologie und Natur nicht im Widerspruch stehen, sondern sich ergänzen. Und in der wir wieder Kontrolle darüber gewinnen, wo unser Essen herkommt – und unter welchen Bedingungen es erzeugt wurde.
Ich wünsche mir, dass wir diesen Weg mutiger gehen. Dass wir umdenken. Dass wir nicht auf die nächste Krise warten, sondern jetzt handeln. Vielleicht steht ja irgendwann an dem alten Supermarkt in deiner Stadt kein verlassener Betonklotz mehr – sondern ein lebendiges Gewächshaus. Mit Fischen, Pflanzen, Licht und Leben. Ein Ort, der uns ernährt. Und Hoffnung gibt.

