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Episode 17 – Abgrund zur Hölle – Ein Albtraum in Limburg
Die Tür vibrierte erneut unter einem wuchtigen Tritt. Das laute Grölen der russischen Soldaten hallte durch das Haus wie ein unheilvolles Echo aus der Hölle. Schimon hielt den Atem an, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Jede Faser seines Körpers war angespannt. In dem dunklen Raum, erleuchtet nur vom schwachen Glimmen der Holzofenflamme, waren nun alle hellwach. Herr Lontke war als Erster auf den Beinen. Entschlossen, aber mit zitternden Händen stellte er sich vor die Tür, als könne sein Körper allein diese Barrikade gegen das drohende Unheil aufrechterhalten. Ruth und Erika saßen aufrecht im Stroh, ihre Gesichter kalkweiß, die Augen weit aufgerissen vor Angst. Sie wagten kaum zu blinzeln.…
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Episode 16 – Eine neue Heimat, ohne Sicherheit und voller Gefahren
Die Luft stand still an diesem Nachmittag in Limburg. Nebel zog in feinen Schleiern durch die Straßen, als sich die kleine Gruppe, erschöpft und entkräftet, vor der russischen Kommandantur versammelte. Schimon stand leicht abseits und beobachtete das Bild, das sich ihm bot: Herr Lontke mit entschlossener Miene, seine Frau Anna an seiner Seite, die Tochter Valli mit eingefallenen Wangen, daneben Emilie – seine Großmutter – mit gesenktem Haupt. Ihre Kinder Ruth, Erika und Hans hatten die Arme fest an den Leib gezogen, als wollten sie sich wärmen, und Günter, Schimons Vater, schien in seinen zerschlissenen, zu kurzen Hosen beinahe zu schwanken. Nur ein wenig Leben glomm in seinen Augen –…
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Episode 15: Ein Junge am Ende seiner Kräfte – Hoffnung auf der Landstraße nach Limburg
Der russische Offizier hob die Hand – ein schlichtes Zeichen, doch es wirkte wie ein Befehl an die Welt, endlich wieder zu atmen. Herr Lontke verstand, richtete sich langsam auf. Kein Schuss fiel. Kein Befehl ertönte. Die Gewehre sanken, einer nach dem anderen. Die Männer in Tarnjacken blieben wachsam, aber sie schossen nicht. Schimon beobachtete, wie die Spannung in Emilies Schultern langsam nachließ. Die Soldaten hatten das Erdloch durchsucht – gründlich, mit kalten Blicken, stählernen Händen. Aber sie hatten nichts gefunden. Nicht die Uniform, die der kleine Günter im Wald entdeckt und heimlich unter einen Balken geschoben hatte. Wäre sie entdeckt worden… Schimon wagte den Gedanken nicht zu Ende zu…
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Episode 14: Der Moment der Entscheidung
Der Schnee war brüchig geworden, feucht und schwer. Er zog sich in schmutzigen Flecken zurück, als wollte er die Spuren der letzten Wochen freilegen. Die Luft roch nach modrigem Holz und tauendem Boden. Schimon stand bewegungslos am Rande einer kleinen Lichtung. Vor ihm: ein Hügel, unauffällig, bedeckt mit Fichtenzweigen, Tannennadeln und morschem Geäst. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sich darunter Leben verbarg. Doch Schimon wusste es besser. Unter dieser Tarnung kauerten acht Menschen, zusammengepfercht in einem Erdloch, das sie in mühsamer Arbeit mit bloßen Händen und alten Werkzeugen gegraben hatten. Baumstämme bildeten das Dach, darauf Erde, darauf Zweige. Darunter Dunkelheit, Enge und Angst. Ein leises Murmeln drang aus…
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Episode 13: Die Stille trügt – Russen auf dem Weg zum Versteck
Schimon wollte Antworten finden. Er wollte wissen, ob er das Kästchen, also die Zeitreisen, mental beeinflussen konnte. War es möglich, den Ort, die Zeit und die Rückkehr zu bestimmen? Diese Ungewissheit nagte an ihm. Er trank noch einmal einen kräftigen Schluck aus seiner Kaffeetasse und begann, sich zu konzentrieren. Er wollte wissen, wie es mit seiner Familie im Wald weiterging. Seine letzte Reise hatte ihn zu jener kalten Waldarbeiterhütte geführt, wo Herr Lontke, Emilie und die Kinder sich notdürftig eingerichtet hatten. Die Kälte, das Knistern des Ofens, die Angst – all das lag noch spürbar in seinem Inneren. Doch er wusste: Das war nicht das Ende ihrer Flucht gewesen. Irgendetwas…
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Episode12: Gefangen in der Vergangenheit – Die Grenze des Erträglichen
Schimon saß in der düsteren Waldarbeiterhütte, die Knie angezogen, die Arme fest um sich geschlungen. Die Kälte war ein gnadenloser Feind, der sich durch jede Faser seines Körpers fraß. Der Hunger war eine unerträgliche Qual, ein dumpfer Schmerz tief in seinem Magen, der ihn kaum klar denken ließ. Ihm wurde bewusst, wie lange er schon hier war. Noch nie hatte eine Zeitreise so lange gedauert. Draußen, irgendwo in der Ferne, rollte der Krieg über das Land. Das donnernde Grollen der Front war unaufhörlich, ein dumpfer Puls, der sich durch den Boden bis in seine Knochen fraß. Es war ein Klang, der nie endete, der sich in seine Gedanken brannte, bis…
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Episode 11: Gefangen in der Vergangenheit – Schimon im Schatten des Krieges
Schimon stand noch einen Moment in der klirrenden Kälte, bevor er sich langsam von Josef entfernte. Der Schnee knirschte unter seinen Schuhen, während er zur Waldarbeiterhütte zurückkehrte. Josef blieb zurück, kniete mit gesenktem Haupt im Schnee und betete leise weiter. Schimon warf einen letzten, nachdenklichen Blick auf ihn, dann wandte er sich endgültig ab. Als er die Hütte betrat, umfing ihn sofort die behagliche Wärme des Ofens. Der Raum lag in einem schummrigen Licht, das von den glimmenden Holzscheiten ausging. Die Luft war schwer vom Geruch verbrannten Holzes und feuchter Kleidung. Die meisten Männer lagen zusammengerollt auf dem Boden oder auf den spärlichen Bänken entlang der Wände. Einige dösten, andere…
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Episode 10: Verlorene Hoffnung im eisigen Wald
Schimon stand einige Meter entfernt von der halb geöffneten Tür der Waldarbeiter-Hütte. Die eisige Luft brannte in seinen Lungen, und seine Füße versanken knirschend im hohen Schnee. Ein frostiger Windstoß trieb feine Schneekristalle über den hartgefrorenen Boden und ließ sie in der Dunkelheit glitzern. Die karge Winterlandschaft wirkte bedrohlich still, nur das entfernte Knacken vereister Äste unterbrach die gespenstische Stille. In der Hütte flackerte ein schwaches Licht, das sich kaum gegen die Finsternis behaupten konnte. Er spähte durch die Lücke der Tür und ließ seinen Blick in die spärlich beleuchtete Hütte gleiten. Da er aus seinen bisherigen Zeitreisen wusste, dass man ihn nicht sehen konnte, trat er vorsichtig näher an…
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Episode 9: Gesang im eisigen Dunkel – Eine Nacht zwischen Leben und Tod
Schimon wachte um 4:45 Uhr auf. Seine normale Zeit zum Aufstehen. Doch heute war es anders. Er war sofort wach, sein Herz raste, als würde es gegen seine Brust hämmern. Sein erster Gedanke galt dem Kästchen. Die Stille der Nacht umgab ihn, doch in seinem Kopf herrschte ein Sturm aus Neugier und Unruhe. Er konnte nicht mehr schlafen. Das Kästchen. Es ließ ihn nicht los. Am Abend hatte er es wieder in den Schrank gestellt, doch seine Gedanken kreisten unaufhörlich um diese Möglichkeit, seine Familiengeschichte intensiver zu entdecken. Leise schob er die Decke beiseite und setzte sich auf. Das Zimmer war still, nur das leise Ticken der Wanduhr war zu…