Kunst

Die drei Ziegen von 1948 – ein Flohmarktfund, der mein Herz berührt

Gestern habe ich auf Instagram angekündigt, dass ich morgen über dieses Bild schreiben werde, das schon eine ganze Weile in unserem Esszimmer hängt. Und genau das tue ich hiermit. Ich veröffentliche diesen Artikel und habe die Animation dazu erstellt – als Ausdruck meines Dankes an den unbekannten Künstler, der dieses Werk im Jahr 1948 gemalt hat. Mir gefällt der Gedanke, dass dieses Bild nun weiterlebt, nicht nur an unserer Wand, sondern auch hier auf meinem Blog, wo ich meine Leser mitnehme in meine Gedanken, meine Erinnerungen und in die kleinen Entdeckungen, die sich manchmal erst mit der Zeit zeigen.

Die drei Ziegen von 1948 – ein Flohmarktfund, der mein Herz berührt
Das Originalbild mit Rahmen.

Ein Nachkriegsbild, das atmet

Gestern Abend stand ich wieder vor diesem Gemälde. Es war einer dieser ruhigen Momente, in denen der anstrengende Tag sich dem Ende zu neigte, aber es noch zu früh war, um ins Bett zu gehen. In solchen Augenblicken nimmt man Dinge anders wahr. Das Bild stammt aus dem Jahr 1948, und schon diese Jahreszahl trägt eine Geschichte in sich. Die Menschen hatten den Krieg überstanden, aber nichts war leicht. Vieles war zerstört, vieles ungewiss. Und doch lag in dieser Zeit eine erste Ahnung von Aufbruch. Genau diese Mischung spürt man in der Art, wie diese Landschaft gemalt ist. Die Hügel sind weich, der Weg schlängelt sich nach oben, die Bäume wirken, als hätten sie Wind und Wetter erlebt, und der Himmel trägt die Spannung dieser Jahre in sich – etwas Unruhiges gepaart mit einem leisen Hoffen.

Die Farben sind gedämpft, erdig, ehrlich. Es ist keine idealisierte, glattgebügelte Landschaft. Sie ist wirklich, ungeschönt, fast ein bisschen rau. Die Pinselführung zeigt einen geübten Blick für Details, aber gleichzeitig eine Freiheit, die für die Nachkriegszeit typisch ist. Man wollte festhalten, was bleibt. Die Natur war damals für viele Menschen der einzige verbliebene Ort der Verlässlichkeit.

Die Signatur – ein Name, der nicht gelistet ist

Unten rechts steht die Signatur: „Rüthmoser ’48“ oder ähnlich. Ich habe versucht, etwas über diesen Maler herauszufinden, doch er taucht in keinem bekannten Register auf. Das ist nicht ungewöhnlich. Viele Künstler dieser Zeit haben lokal gemalt, für Freunde, für kleine Ausstellungen, vielleicht für das eigene Wohnzimmer. Manche lebten von der Kunst, andere lebten einfach mit ihr. Es gibt unzählige Namen, die nirgends gelistet sind – nur Bilder, die den Künstler repräsentieren. Und vielleicht ist das genau richtig so. Denn dieses Werk braucht keinen großen Namen, um etwas auszulösen. Es lebt nicht von einem Katalogeintrag, sondern von dem, was es in einem Raum verändert, wenn man davorsteht.

Die drei Ziegen von 1948 – ein Flohmarktfund, der mein Herz berührt
Die Signatur ist für mich nicht eindeutig. Vielleicht kennt jemand von euch den Künstler.

Der Wasserschaden am unteren Bildrand – Spuren eines Lebens

Was mich besonders berührt, ist der Wasserschaden im unteren Bereich. Viele würden sagen, das sei ein Mangel. Aber ich sehe ihn wie eine Falte im Gesicht eines Menschen. Ein Zeichen der Zeit, das nicht stört, sondern erzählt. Dieses Bild hat nicht in einem klimatisierten Depot gehangen. Es hat ein echtes Leben gesehen – Wände, Jahreszeiten, vielleicht Umzüge, vielleicht ein Dach, das einmal undicht war. Genau das macht es authentisch. Perfektion schafft Abstand. Spuren schaffen Nähe. Und dieses Bild trägt seine Spuren so, wie manche Menschen ihre Geschichte tragen: offen, sichtbar und mit einer gewissen Würde.

In Erinnerung an den Künstler – Kunst die bewegt…

Drei Ziegen und ein Hirte, der fast unsichtbar bleibt

Was dieses Bild für mich besonders macht, sind die Ziegen. Wenn man den Blick über das Gemälde schweifen lässt, fällt zuerst die weiße Ziege auf. Sie steht hell und klar im Vordergrund, so selbstverständlich, als wolle sie den Betrachter begrüßen. Gerade weil sie so auffällig ist, lenkt sie den Blick weiter – hin zu den beiden erdfarbenen Ziegen, die etwas weiter hinten stehen, unauffälliger, ruhiger, fast in die Landschaft eingebettet.

Und dann passiert etwas, das ich besonders liebe: Wenn man den Blick noch etwas länger hält, vielleicht eine Sekunde mehr als gewöhnlich, entdeckt man eine kleine Figur im Schatten des Baumes. Dort liegt der Hirte. Halb verborgen, ausgestreckt, wahrscheinlich schlafend. Er fällt fast nicht auf. Man könnte das Bild fünfmal anschauen und ihn jedes Mal übersehen. Aber wenn man ihn entdeckt, verändert er die ganze Szene. Plötzlich hat die Landschaft eine Geschichte, eine kleine Erzählung mitten im Alltag eines Menschen, der sich vielleicht für ein paar Minuten hingelegt hat, während seine Tiere friedlich um ihn herum stehen.

Für mich ist das die eigentliche Schönheit dieses Gemäldes. Die weiße Ziege führt hinein. Die beiden anderen halten die Szene zusammen. Und der Hirte, der fast eins mit dem Schatten geworden ist, erzählt das, was man erst erkennt, wenn man sich Zeit nimmt. Und vielleicht ist genau das die Botschaft dieses Bildes: dass das Wesentliche manchmal erst dann sichtbar wird, wenn wir bereit sind, genauer hinzusehen.

Warum dieses Bild bleibt

Unsere Tochter Lydia hat dieses Gemälde auf einem Flohmarkt entdeckt. Sie ist stehen geblieben, hat es angesehen und sofort gewusst: Das ist etwas für Papa. Und sie hatte recht. Es gibt Menschen, die sehen dich so gut, dass sie nicht nach großen Dingen suchen müssen. Sie finden das Richtige, weil sie dich wirklich kennen und lieben. Lydia hat mir dieses Bild geschenkt, und damit hat sie mir mehr gegeben als ein Kunstwerk. Sie hat mir etwas von sich selbst gegeben. Einen Moment, in dem sie mich gesehen hat.

Deswegen wird dieses Bild bleiben. Nicht wegen des Namens. Nicht wegen seines Alters. Nicht einmal wegen der Ziegen – obwohl sie mich jedes Mal zum Lächeln bringen. Es bleibt wegen der Geschichte, die es mitgebracht hat. Wegen der Liebe, mit der es ausgesucht wurde. Und weil es mich daran erinnert, dass Schönheit manchmal dort liegt, wo wir sie am wenigsten erwarten: am Wegesrand, im Schatten eines Baumes, im Geschenk einer Tochter, die wusste, dass genau dieses Bild mein Herz berühren würde.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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