Führung im Team: Unverzichtbar oder überbewertet?

Teams gibt es überall – in Unternehmen, in Projekten, in Freundeskreisen oder sogar in der Familie. Aber eine Frage taucht immer wieder auf: Braucht ein Team eine klare Führung oder kann es sich selbst organisieren? Ich habe im Laufe der Jahre viele unterschiedliche Teams erlebt. Manche hatten eine klassische Hierarchie mit einem klaren Leiter, andere arbeiteten selbstorganisiert, und wieder andere glaubten nur, sie wären gleichberechtigt, während sich insgeheim doch eine Führungsperson herauskristallisierte. Eines wurde mir dabei immer deutlicher: Ein Team ohne Führung kann funktionieren, aber nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Und wenn sie nicht stimmen, dann kann das Fehlen einer klaren Leitung zu Chaos, Frustration und letztlich zum Scheitern führen.

Wenn sich Führung von selbst entwickelt

Eine Sache, die ich oft beobachtet habe, ist, dass Teams ohne offizielle Hierarchie trotzdem nicht gleichberechtigt arbeiten. Menschen neigen dazu, sich an Personen zu orientieren, die Kompetenz ausstrahlen, Sicherheit vermitteln und klare Entscheidungen treffen. Wenn niemand diese Rolle aktiv übernimmt, entsteht sie oft auf natürliche Weise. Plötzlich gibt es jemanden, der die Richtung vorgibt, auch wenn er oder sie nicht offiziell als Teamleiter benannt wurde. Das kann gut sein, wenn diese Person die Dynamik des Teams versteht und das Ziel nicht aus den Augen verliert. Doch es kann auch zu Spannungen führen, wenn sich einzelne Teammitglieder nicht mit dieser inoffiziellen Führung arrangieren können. In solchen Fällen wäre es klüger, die Rolle ganz offiziell zu benennen und die Person mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten, um das Team zu leiten. Eine gute Führungskraft ist nicht jemand, der einfach nur Befehle gibt, sondern jemand, der Orientierung schafft, Kommunikation fördert und das Beste aus den Teammitgliedern herausholt.

Das Scheitern eines Teams ohne Führung

Ich erinnere mich an ein Projekt, das ich begleitet habe. Es war ein sehr engagiertes Team, voller motivierter Leute mit tollen Ideen. Die Firmenleitung hatte jedoch entschieden, dass es keine Hierarchie geben sollte. Jeder sollte gleichgestellt sein, und Entscheidungen sollten gemeinsam getroffen werden. Das klang in der Theorie großartig, doch in der Praxis sah es anders aus. Es dauerte nicht lange, bis sich ein Kollege besonders hervortat. Er stellte sich selbst als die zentrale Figur dar, wusste angeblich alles besser und begann, seine eigene Agenda zu verfolgen. Er nutzte die unklare Struktur des Teams, um hinter dem Rücken der anderen mit der Geschäftsleitung zu sprechen, Zweifel an den Fähigkeiten seiner Kollegen zu säen und sich selbst als unverzichtbar darzustellen. Die Firmenleitung durchschaute sein Spiel nicht und förderte ihn indirekt, indem sie ihn mit internen Informationen versorgte und ihm immer wieder Gehör schenkte. Das Team hingegen wurde zunehmend misstrauisch, die Zusammenarbeit litt, und am Ende scheiterte das gesamte Projekt an den internen Spannungen. Eine klare Teamleitung hätte hier vieles verhindern können.

Die Herausforderungen klassischer Hierarchien

Doch auch klassische Hierarchien haben ihre Tücken. Ein Teamleiter, der seine Position als Machtinstrument nutzt, kann genauso viel Schaden anrichten wie eine fehlende Führung. Ich habe es erlebt, dass Führungskräfte Entscheidungen über die Köpfe der Teammitglieder hinweg trafen, sich kaum für deren Meinungen interessierten und am Ende mehr blockierten als vorantrieben. Eine gute Teamleitung erfordert daher ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl. Es geht nicht darum, Anweisungen zu geben, sondern darum, ein Klima zu schaffen, in dem alle ihre Stärken einbringen können. Kommunikation ist dabei das entscheidende Werkzeug. Ein Teamleiter, der nicht zuhört oder Informationen zurückhält, verliert schnell das Vertrauen seiner Leute.

Führung muss nicht Kontrolle bedeuten

Man könnte also sagen, dass es weniger darum geht, ob ein Team einen Leiter braucht, sondern vielmehr darum, welche Art von Führung sinnvoll ist. Manche Teams funktionieren hervorragend mit einer gleichberechtigten Struktur, wenn die Kommunikation stimmt und alle bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Doch wenn die Aufgaben komplexer werden, wenn unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen oder wenn es im Team jemanden gibt, der sich selbst über die Gruppe stellt, dann ist eine klare Führung unerlässlich. In meinem eigenen Werdegang habe ich gelernt, dass es oft nicht reicht, darauf zu hoffen, dass sich alles von selbst einpendelt. Ein Team ohne eine definierte Führung ist wie ein Schiff ohne Kapitän – es mag eine Weile treiben, aber sobald der erste Sturm aufzieht, wird es schwierig.

Die richtige Balance finden

Die Frage ist also nicht, ob es Führung braucht, sondern wie diese Führung aussehen sollte. Eine gute Teamleitung sorgt nicht für Kontrolle, sondern für Orientierung. Sie bietet nicht nur Struktur, sondern auch eine Vertrauensbasis. Und vor allem stellt sie sicher, dass alle Teammitglieder in die gleiche Richtung arbeiten, anstatt sich gegenseitig zu behindern. Wenn ein Team das alleine schafft – großartig. Aber wenn nicht, dann sollte man sich nicht davor scheuen, eine klare Führung zu benennen, bevor das Chaos überhandnimmt.

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