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Bedingungsloses Grundeinkommen: Warum die Eliten wirklich Angst haben

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein Konzept, bei dem jeder Bürger monatlich einen festen Betrag vom Staat erhält – ohne Gegenleistung, unabhängig von Arbeit, Einkommen oder sozialem Status. Es geht um ein Einkommen, das nicht an Bedingungen wie Erwerbstätigkeit, Bedürftigkeit oder familiäre Situation geknüpft ist, sondern als universelles Bürgerrecht verstanden wird. Es soll eine sichere finanzielle Basis schaffen und damit Existenzängste nehmen. In verschiedenen Modellen ist von 1000 bis 1500 Euro pro Monat die Rede, manche Konzepte sehen auch noch höhere Summen vor. Dieses Geld würde jedem zustehen, vom Geringverdiener bis zum Millionär, vom Kind bis zum Rentner. Im Gegenzug könnten viele bisherige Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld oder Wohngeld entfallen, da sie im Grunde genommen im BGE enthalten wären. Wer möchte, kann zusätzlich arbeiten und verdientes Geld vollständig behalten – das BGE wird nicht angerechnet oder gekürzt.

Seit einiger Zeit beschäftigt mich ein Gedanke, der weit über die üblichen Diskussionen zum Bedingungslosen Grundeinkommen hinausgeht. Natürlich, man hört immer wieder die gleichen Argumente: Es sei zu teuer, die Menschen würden aufhören zu arbeiten, es sei ungerecht, dass auch Millionäre es bekämen. Aber je länger ich mich mit dem Thema befasse, desto klarer wird mir, dass die eigentliche Angst eine ganz andere ist: Der Macht- und Kontrollverlust derjenigen, die Kapital und Einfluss besitzen.

Abhängigkeit und Freiheit

Wenn wir ehrlich sind, dreht sich unsere Gesellschaft seit Jahrhunderten um eine klare Abhängigkeit. Der Arbeitnehmer ist darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber ihn bezahlt. Wer kein Geld verdient, hat keinen Platz im System – außer er nimmt Sozialleistungen in Anspruch, die oft mit Scham und Stigmatisierung verbunden sind. Es herrscht ein ständiges Ungleichgewicht zwischen jenen, die Arbeit geben, und jenen, die Arbeit annehmen müssen, um zu überleben. Dieses Gefälle bestimmt nicht nur Einkommen, sondern auch Würde und gesellschaftliche Teilhabe. Genau hier setzt das Bedingungslose Grundeinkommen an: Es gibt jedem Menschen eine gesicherte Basis, unabhängig von Leistung, Herkunft oder Status. Es wäre nicht nur eine finanzielle Unterstützung, sondern eine grundlegende Veränderung der Spielregeln – weg von der Angst vor Armut und hin zu echter Entscheidungsfreiheit. Und das verändert alles.

Denn plötzlich hätte der Einzelne die Freiheit, „Nein“ zu sagen. Nein zu einem Job, der unterbezahlt ist. Nein zu Arbeitsbedingungen, die krank machen. Nein zu Ausbeutung. Das Grundeinkommen wäre eine Art Schutzschild, das es jedem ermöglicht, sich nicht mehr erpressen zu lassen. Für die Arbeitgeber und Kapitalbesitzer bedeutet das: Sie verlieren ihren wichtigsten Hebel. Der Zwang zur Arbeit aus purer Existenzangst wäre weg.

Und genau das ist der Punkt, an dem die Machtfrage ins Spiel kommt. Unsere Wirtschaft ist historisch so konstruiert, dass Arbeit künstlich verknappt und dadurch kontrollierbar bleibt. Wer über Kapital verfügt, entscheidet nicht nur darüber, wer arbeiten darf und zu welchen Bedingungen, sondern auch darüber, wie groß der Druck im gesamten System bleibt. Diese Knappheit schafft Abhängigkeit und ist ein zentrales Machtinstrument. Ein BGE würde diese Ordnung radikal auf den Kopf stellen. Denn plötzlich wäre Arbeit nicht mehr primär Mittel zum Überleben, sondern eine Entscheidung auf Augenhöhe. Das Grundeinkommen würde die jahrhundertealte Logik von Abhängigkeit und Kontrolle durchbrechen. Es wäre nicht nur eine soziale Reform, sondern eine tektonische Verschiebung der Machtverhältnisse, die tief in die Strukturen von Wirtschaft und Gesellschaft hineinwirken würde.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Angst vor Machtverlust?

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Umverteilung und neue Werte

Denn was passiert, wenn plötzlich Pflegekräfte, Verkäufer oder Handwerker die Freiheit haben, sich ihre Arbeitgeber auszusuchen – oder ihre Arbeitszeit drastisch zu reduzieren, weil ihre Existenz auch ohne 40-Stunden-Woche gesichert ist? Dann müssten Arbeitgeber bessere Bedingungen schaffen, um Menschen zu gewinnen. Löhne müssten steigen, die Arbeit gerechter verteilt werden. Für viele, die vom Status quo profitieren, ist das ein Albtraum.

Dazu kommt die Frage der Umverteilung. Ein funktionierendes Grundeinkommen könnte nicht anders, als von oben nach unten zu verteilen. Das reichste Drittel der Gesellschaft müsste draufzahlen – durch höhere Steuern oder neue Finanzierungsmodelle. Auch das kratzt am Selbstverständnis der Eliten: Dass ihr Reichtum nicht mehr nur Ergebnis ihrer „Leistung“ ist, sondern Teil eines Systems, das nun gezielt umgebaut wird.

Und schließlich stellt das BGE auch die Wertfrage. Ich bin der Meinung, dass wir uns als Gesellschaft viel mehr damit beschäftigen müssen, wie wir die alten Strukturen von Kapital in Verbindung mit der Macht überdenken können. Wenn plötzlich Fürsorgearbeit, ehrenamtliches Engagement, Kunst oder persönliche Weiterentwicklung denselben Stellenwert erhalten wie klassische Erwerbsarbeit, dann verliert das Kapital seine Deutungshoheit. Arbeit wäre nicht mehr automatisch gleichbedeutend mit Lohnarbeit. Das bedeutet nichts weniger als einen kulturellen Paradigmenwechsel.

Die bisherigen Studien zu Pilotprojekten zeigen übrigens eher positive Ergebnisse. In Deutschland erhielten über drei Jahre hinweg Teilnehmer monatlich 1200 Euro und nutzten diese zusätzliche Sicherheit, um gesünder zu leben, weniger Stress zu verspüren und sogar neue Arbeitsplätze zu schaffen. In Finnland berichteten die Empfänger von besserem Schlaf und mehr Sicherheit, auch wenn die Höhe des Betrags dort nicht ausreichte, um die Lebenshaltungskosten komplett abzudecken. Umfragen bestätigen zudem, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen weiter arbeiten würde – nur mit weniger Druck und mehr Selbstbestimmung. All das deutet darauf hin, dass die verbreitete Angst vor der „sozialen Hängematte“ weit übertrieben ist.

Natürlich gibt es berechtigte Fragen: Wie soll das finanziert werden? Wie verhindert man Inflation oder steigende Mieten? Doch all diese Fragen wirken zunehmend wie Nebelkerzen. Sie lenken ab vom Kern der Sache: Mit einem Grundeinkommen verlöre die Elite ihren festen Griff über die Gesellschaft.

Vielleicht ist genau das der Grund, warum die Kritik am BGE so vehement ist. Nicht, weil es unmöglich wäre. Sondern weil es möglich ist – und weil es die Macht verschiebt. Und Macht wird selten freiwillig abgegeben.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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