Mehr als nur Sattwerden: Warum Tischkultur schon im Kindergarten beginnt
In unserer heutigen Zeit, die oft von Hektik, Fastfood und dem schnellen Snack auf die Hand geprägt ist, droht etwas Wesentliches verloren zu gehen: die Tischkultur. Essen ist für viele nur noch eine notwendige Unterbrechung des Alltags, um „aufzutanken“, oft passiert es nebenbei oder vor dem Bildschirm. Doch gerade bei Kindern ist es entscheidend, dass sie früh lernen, dass Essen auch anders geht – nämlich als genussvolles, gemeinsames Erlebnis. Genau deshalb bin ich ein großer Fan von Projekten, die nicht nur theoretisches Wissen vermitteln, sondern die Praxis in den Mittelpunkt stellen. Ein solches Vorzeigeprojekt ist die Coaching-Initiative „Kita isst besser“ in Rheinland-Pfalz, die gerade wieder neue Fahrt aufnimmt. Klimaschutzstaatssekretär Michael Hauer hat kürzlich in Bad Kreuznach Bilanz gezogen und weiteren Kitas ihre Urkunden überreicht. Die Zahlen sprechen für sich: Rund 16.000 Kinder und ihre Eltern konnten seit 2013 bereits erreicht werden. Das ist eine beachtliche Zahl, hinter der aber noch viel mehr steckt als reine Statistik.
Bildung schmeckt: Ein Löffel für die Zukunft
Ich finde den Ansatz dieser Initiative deshalb so wichtig, weil er Ernährung und Sozialverhalten untrennbar miteinander verknüpft. Es geht eben nicht nur darum, dass der Brokkoli gesünder ist als der Schokoriegel. Es geht darum, wie wir essen. Michael Hauer hat es treffend formuliert: An einem ansprechend gedeckten Tisch gemeinsam zu essen, stärkt die Gemeinschaft und sorgt für einen achtsamen Umgang mit Lebensmitteln. Wenn Kinder im Kindergartenalter lernen, das Essen wertzuschätzen, zusammen am Tisch zu sitzen und Ruhe zu bewahren, dann ist das eine Schule fürs Leben. Sie entwickeln eine „Ernährungskompetenz“, die weit über das Wissen um Kalorien hinausgeht. Für die Coaching-Runde 2026-2027 kommen nun über 1.100 weitere Kinder in den Genuss dieses Programms, bei dem erfahrene Ernährungsberaterinnen die Einrichtungen ein Jahr lang begleiten. Dabei werden individuelle Konzepte entwickelt, die Ernährung, Bewegung und Entspannung verbinden. Dass das Land die Kosten übernimmt, ist für mich ein richtiges Signal, denn hier wird an der Basis investiert.
Investition in die Gesundheit statt Reparatur am Ende
Betrachtet man das Ganze aus einer gesellschaftlichen Perspektive, ist dieses Projekt nicht nur „nett“, sondern ökonomisch vernünftig. Wir alle wissen, welche immensen Kosten durch ernährungsbedingte Krankheiten im späteren Leben entstehen. Wenn wir es schaffen, Kinder schon früh für frische, gesunde Lebensmittel und die Freude am Genuss zu begeistern, sparen wir uns als Gesellschaft später teure „Reparaturmaßnahmen“. Ein Kind, das weiß, wie gut eine frische Mahlzeit in Gemeinschaft schmeckt, wird auch als Erwachsener seltener zum lieblosen Fertigprodukt greifen. Die Initiative „Kita isst besser“ setzt genau dort an, wo Prävention am wirkungsvollsten ist: im Alltag der Kleinsten. Es wird ein Bewusstsein geschaffen, das bis in die Elternhäuser hineinstrahlt. In einer Welt, die immer schneller wird, ist die Rückkehr zur gemeinsamen Mahlzeit am Tisch ein Stück Entschleunigung und Kulturgut, das wir unseren Kindern unbedingt mitgeben müssen. Es ist schön zu sehen, dass dies politisch gefördert wird, statt sich in sinnlosen Debatten über Produktnamen zu verlieren.


