Stark durchs Leben

Wenn Entscheidungen schwerfallen: Warum Zeit oft die beste Antwort ist

Heute Morgen habe ich einen Artikel darüber geschrieben, wie sehr Entscheidungen unser Leben prägen. Und ich habe euch versprochen, dass ich einen weiteren Text darüber schreibe, wie ich selbst prüfe, ob eine Entscheidung aus einem emotionalen Reflex entsteht oder aus einer echten inneren Klarheit. Und auch, wie sich eine Entscheidung richtig anfühlt. Ich habe mir überlegt, dass ich dieses Versprechen heute Abend einlösen möchte. Auch wenn es inzwischen schon etwas später geworden ist, und ich eigentlich Feierabend machen sollte. Aber mir liegt dieses Thema sehr am Herzen – und deshalb nehme ich mir jetzt die Zeit dafür.

In den letzten Wochen hatte ich ein Gespräch, das mich länger beschäftigt hat, als mir lieb war. Es war kein Streit, keine lauten Worte, nichts Dramatisches. Und doch hat es mich innerlich berührt. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, dass mein Gegenüber mich nicht wirklich ernst nimmt. Als würde mein Anliegen zur Seite geschoben, so als wäre es nicht wichtig genug. Das hat mich getroffen. Und ehrlich gesagt auch geärgert.

Dieses Gefühl ist nicht sofort verschwunden. Es blieb, und ich musste immer wieder daran denken. Ich habe es zwei, drei Tage mit mir herumgetragen. Immer dann, wenn es ruhig wurde, war es wieder da. Irgendwann habe ich mit einem Freund darüber gesprochen – vertraulich, offen, so wie man das nur mit Menschen macht, die einen gut kennen. Er war derselben Meinung wie ich. Rational betrachtet war die Sache klar. Jeder hätte gesagt: „Zieh deine Konsequenzen.“

Und trotzdem war in mir etwas, das mich zurückgehalten hat. Nicht aus Angst. Nicht aus Unsicherheit. Eher wie eine innere Stimme, die sagt: „Warte. Atme. Schlaf noch einmal darüber.“ Ich konnte es nicht sofort greifen, aber ich weiß aus vielen Jahren Erfahrung, dass solche inneren Impulse nicht zufällig kommen. Sie wollen gehört werden.

Also habe ich gewartet. Ich habe das Gespräch ruhen lassen. Ich habe nichts entschieden, obwohl mein Kopf schon längst einen Weg für sich festgelegt hatte. Und ich habe mir bewusst die Zeit gegeben, die es gebraucht hat.

Einige Tage später kam es wieder zu einem Kontakt mit dieser Person. Ich war innerlich darauf vorbereitet, nun die Konsequenzen zu ziehen. Aber dann ist etwas passiert, worauf ich schlicht nicht vorbereitet war. Mein Gegenüber ist auf mich zugegangen. Ohne Druck, ohne Show. Einfach ehrlich. Er hatte meine Worte und meine Position überdacht – und das, was er mir sagte, war ein Schritt auf mich zu. Eine Anerkennung. Ein echtes Entgegenkommen.

In diesem Moment war mir klar, wie gut es war, nicht vorschnell entschieden zu haben. Hätte ich in meiner ersten Emotion gehandelt, hätte ich eine Tür zugeschlagen, die es nicht verdient hatte, zugeschlagen zu werden. Und ich hätte eine Chance verpasst, die sich erst zeigen konnte, nachdem ich ihr Zeit gegeben hatte.

Was ich aus solchen Momenten immer wieder lerne, ist etwas sehr Einfaches und doch so Wichtiges: Große Entscheidungen brauchen Zeit. Sie brauchen mindestens eine Nacht dazwischen. Vielleicht auch zwei. Denn Gefühle sortieren sich nicht im selben Tempo wie Gedanken. Der Kopf ist schnell. Er rechnet, wägt ab, ordnet ein. Das Herz braucht manchmal länger, um herauszufinden, ob es sich wirklich um eine Grenze handelt – oder nur um eine verletzte Stelle, die erst heilen muss.

In meinem Leben ist daraus eine Art goldene Regel entstanden. Ich treffe keine bedeutende Entscheidung, solange ich innerlich noch aufgewühlt bin. Ich lasse die Nacht darüber gehen. Manchmal auch ein ganzes Wochenende. Und ich spüre hinein, ob Kopf und Herz denselben Weg wollen. Denn erst wenn beides in mir in Einklang kommt, weiß ich: Jetzt ist der richtige Moment. Jetzt trägt mich die Entscheidung – und ich kann sie später auch vertreten.

Der Vorfall aus den letzten Tagen hat mir das wieder gezeigt. Dass es gut ist, auf sich selbst zu hören. Dass es gut ist, die eigenen Gefühle nicht zu verdrängen, aber ihnen auch nicht blind zu folgen. Und dass es manchmal gut ist, dem anderen Menschen ebenfalls Zeit zu geben. Auch er muss vielleicht seine Nacht darüber schlafen.

Alles, was wir entscheiden, formt unser Leben. Und wenn wir die Entscheidung aus einem inneren Frieden heraus treffen, dann trägt sie uns weiter – und zwar auf eine Weise, die uns hilft, unser Leben in eine gute Richtung zu führen.

Peter Winkler ist Aquaponiker, Coach und Blogger. Sein theologisches Studium war die Basis für eine langjährige Tätigkeit in der sozialen Arbeit. Seit 2012 beschäftigt er sich mit der Aquaponik. Durch seine Expertise entstanden mehrere Produktionsanlagen im In.- und Ausland. Mit dem Blog "Schimons Welt" möchte er die Themen teilen, die ihn bewegen und damit einen Beitrag für eine bessere Welt leisten.

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